Mein erstes Mal auf der Frankfurter Buchmesse:
Lutz Seilers Kruso gewinnt den Deutschen Buchpreis für den besten Roman 2014, Herta Müller spricht mit Denis Scheck – natürlich über die Ceaușescu-Dikatur – und Cro begeistert die jungen Mädchen – nicht mit Worten, aber mit Musik.
Vergangene Woche bekam ich die längst überfällige Möglichkeit geboten, mich endlich einmal ausführlich auf der weltweit größten Buchmesse umzuschauen.
Ein weites Feld an Verlagen, Autoren und Literaturagenturen erwartete mich und ich war überwiegend nur eins: überfordert. So viele Bücher, so viele Menschen. Von Signierstunden über Lesungen, von Vorträgen über Preisverleihungen – irgendwo findet immer eine Veranstaltung statt, aber eh man diese wirklich ausfindig machen kann, rast man schon wieder zur nächsten. So wie ich am Freitagvormittag:
Mein erster Versuch, Wladimir Kaminers Vortrag zu seinem neuen Buch Coole Eltern leben länger ausfindig zu machen, scheitert bereits, denn sah ich am Tag zuvor noch das Hinweisschild, weiß ich nun nicht mehr, wo das gewesen sein soll. Ich entschließe mich, doch einmal zur Information zu gehen und stelle fest: Es gibt dort einen kostenlosen Veranstaltungskalender.
Roger Willemsens Vortrag zu seinem für den Leipziger Buchmessenpreis nominierten Das Hohe Haus – Ein Jahr im Parlament verpasse ich ebenfalls, später kann ich ihm aber immerhin ein wenig beim Signieren des von ihm herausgegebenen Der Garten über dem Meer zuschauen. Schade, dass die Bücher nicht auch schon zum Verkauf angeboten werden, dann hätte ich das Werk der bedeutendsten katalanischen Schriftstellerin des 20. Jahrhunderts, Mercè Rodoreda, auf jeden Fall ebenfalls signiert mitgenommen.
Zufällig komme ich an der Signierstunde von Birgit Schrowange vorbei, die mit ihrem Buch Es darf ein gern ein bisschen mehr sein Frauen ermutigt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Unbeeindruckt wechsle ich noch einmal die Halle. Draußen ist eine offene Bühne aufgebaut, vor der sich Scharen an jungen Mädchen versammelt haben und Sicherheitsmänner versuchen, sie unter Kontrolle zu halten. Der Moderator kündigt zum wiederholten Male den Panda-Masken-Träger Cro an, die Mädchen schreien und ich frage mich, was der wohl auf der Buchmesse verloren hat. Es gibt also ein Buch über das Leben des 24-Jährigen, das Vorwort darin soll er selbst geschrieben haben, gelesen wird auf der Bühne dennoch nicht, nur etwas verhalten gesungen. Ich gehe schnell weiter.
Ich freue mich besonders auf Lutz Seilers Lesung zum Thema „Bewegte Republik“ auf der 3sat-Bühne, zu der ich es endlich auch einmal pünktlich schaffe und wo gerade Schilder aufgehängt werden: „Lutz Seiler hat den Deutschen Buchpreis 2014 gewonnen, daher verschiebt sich die Veranstaltung um ca. 5 Stunden“ – na toll! Da werde ich schon fast wieder in Berlin sein. Kruso ist eines der wichtigsten Werke unserer Zeit. Es schlägt einen Bogen vom Sommer 1989 bis in die Gegenwart und beschreibt mithilfe ausführlichster Recherche die Schicksale der Menschen, die bei ihrer Flucht über die Ostsee verschollen sind. Die ‚einsame’ Insel ist in diesem Roman Hiddensee, „Kruso“ ist nicht mehr selbst der Schiffbrüchige, sondern der Helfer aller Flüchtigen. Ich bin wahnsinnig gespannt darauf, den Roman zu lesen.
Nach der Enttäuschung über die verschobene Veranstaltung, komme ich zufällig an der FAZ-Bühne vorbei, auf der gerade der sympathische Autor Michael Köhlmeier im Gespräch ist. Ich bleibe kurz stehen und bin begeistert von den Worten des Österreichers, seinen Roman Zwei Herren am Strand notiere ich mir sofort auf meiner Dringend-Besorgen-Liste.
Zum Glück hatte ich mir vor meiner Reise nach Frankfurt den Gutschein des Börsenvereins Deutschen Buchhandels für einen ‚echten’ amerikanischen Hotdog ausgedruckt, sodass ich wenigstens an einer Mahlzeit spare und ein wenig gestärkt versuche, noch schnell Denis Scheck im Gespräch mit Nobelpreisträgerin Herta Müller auf der ARD-Bühne zu erspähen. Ich höre nur einen Moment zu, wie die Autorin im Zusammenhang mit ihrem neuem Roman Mein Vaterland war ein Apfelkern auf den ehemaligen rumänischen Diktator Nicolae Ceaușescu zu sprechen kommt und vor Putin warnt. Ich würde so gern noch länger lauschen, aber der Zug zurück wartet nicht und so rase ich gesättigt – weniger von dem Hot Dog, dafür aber von den unzähligen Eindrücken – erst zur Garderobe und dann zum Bahnhof.
Vier Stunden später zurück in Berlin bin ich immer noch ganz durcheinander und im Rausch der vielen Bücher und Autoren und ärgere mich etwas, dass ich anfangs so unbeholfen war. Beim nächsten Mal weiß ich dann vielleicht schon ein bisschen besser Bescheid, kann mich schneller orientieren und besorge mir nicht erst am letzten Tag den kostenlosen Veranstaltungskalender. Nun freue ich mich aber erst einmal ganz besonders auf Leipzig und eine wahrscheinlich sehr viel gemütlichere Buchmesse im Frühjahr 2015.