Freudvoll und leidvoll

Freudvoll
Und leidvoll,
Gedankenvoll sein,
Langen
Und bangen
In schwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend,
Zum Tode betrübt;
Glücklich allein
Ist die Seele, die liebt.

Johann Wolfgang von Goethe

Das Gedicht „Freudvoll und leidvoll“ von Johann Wolfgang von Goethe wurde 1788 veröffentlicht. Das Reimschema des aus zehn Zeilen bestehenden Gedichts ist recht frei, die Silben stimmen nur annähernd überein.

Bekannt ist das Gedicht vor allem aus der Komposition „Egmont“ von Ludwig van Beethoven. Die wenigsten wissen, dass Goethe es nie in die Reihe seiner lyrischen Werke aufgenommen hatte, weshalb es nur als Teil des Trauerspiels bekannt ist. Es ist auch unter dem Titel „Klärchens Lied“ zu finden.

Goethe schafft es in nur 23 Worten einen extrem labilen Gemütszustand darzustellen. Die Liebe stellt eine Verbindung her zwischen „freudvoll“ und „leidvoll“, zwischen „himmelhoch jauchzend“ und „zum Tode betrübt“. Für Goethe ist die Liebe etwas Kostbares, um dessen Verschwinden man bangen muss.

Marcel Reich-Ranicki beschrieb in seiner Interpretation in der Frankfurter Anthologie folgendes: „ Nur derjenigen Liebe, die auch gefährdet, also unsicher ist, verdankt der Mensch das höchste Glück. Die Angst erscheint somit nicht bloß als eine unvermeidbare Begleiterscheinung der Liebe, sondern als ihr Fundament und ihre Voraussetzung.“

Auffallend ist die Struktur des Gedichts. Die Wörter „freudvoll“ und leidvoll“ sowie „langen“ und „bangen“ werden mit der Konjunktion „und“ verbunden. „Himmelhoch jauchzend“ und „zum Tode betrübt“ werden nur durch ein Komma getrennt. Das zeigt, dass die ersten Begriffe eine Entweder-Oder-Situation darstellen, während man in der Liebe laut Goethe sowohl höchste Freude und gleichzeitig tiefste Trauer empfinden kann.

Johann Wolfgang von Goethe wurde 1749 in Frankfurt am Main geboren und starb 1832 in Weimar. Der Durchbruch gelang ihm 1774 mit seinem Roman „Die Leiden des jungen Werther“ und dem Drama „Götz von Berlichingen. Im Alter von 26 Jahren kam er an den Hof von Weimar und lebte dort bis zu seinem Tod. Zwei Mal reiste Goethe nach Italien, was ihn künstlerisch sehr prägte. Nach seiner zweiten Italienreise arbeitete er eng mit Friedrich Schiller zusammen.