Bella Italia (Teil V)

Costiera Amalfitana

PositanoSorrento zeigt sich uns weiterhin nur von seiner besten Seite und wir sind immer noch die glücklichsten Menschen der Welt, diesen Ort als unsere zweite Station gewählt zu haben. Dennoch brennen wir darauf, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte Costiera Amalfitana  zu erkunden, welche die Südseite der Halbinsel von Sorrent umfasst, und mieten uns daher kurzerhand eine Vespa. Auch hierfür benötigt man keinen besonderen Führerschein und nach einer sehr kurzen Einführung in das Gefährt und der noch viel kürzeren Warnung vor der gefährlichen Küstenstraße geht es auch schon los. Wir schwingen uns leicht bekleidet auf die Vespa und genießen neben den atemberaubenden Ausblicken entlang der kurvenreichen Panoramastraße den frischen Fahrtwind und die Unabhängigkeit, dort eine Pause zu machen, wo wir spontan Lust auf eine Pause haben – mehr italienisches Lebensgefühl geht vermutlich nicht. Bei dem Anblick der Costiera Amalfitana geht es uns so,  wie es Goethe ging, als er auf dem Vesuv stand und uns „armen Nordländer[n] k[ommt] etwas Tränenartiges in die Augen“, so schön finden wir das hier.

Positano

Anfangs noch etwas unsicher auf dem ungewohnten Gefährt, in den engen Kurven entlang der steilen Felsen, starten wir in unser unbezahlbares Abenteuer – die Sonne auf der Haut und den Wind im Gesicht. Über Massa Lubrense mit seinem mittelalterlichen Stadtkern und den zauberhaften Buchten und romantischen Fischerhäfen, steuern wir Positano, eine der Perlen und offiziellen Beginn der Amalfiküste, an. Umgeben von Zitronengärten und Olivenhainen geht es für uns bergauf und bergab, rechts von uns immer die Steilküste und der Blick auf das tiefblaue Meer. Ab und zu machen wir Halt, um einfach nur den Ausblick zu genießen und stellen wie schon Goethe 1787 fest: „Die Natur ist doch das einzige Buch, das auf allen Blättern großen Gehalt bietet.“ Positano erscheint uns dann noch schöner als im Reiseführer beschrieben – die „malerische Lage an zwei Hängen des Monte Angelo a Tre Pizzi (1443 Meter)“ überwältigt uns sowohl beim Ausblick von oben als auch beim Anblick vom Strand aus. Schon Homer erzählte von diesem traumhaften Fleckchen Erde in der Legende von den drei Sirenen Ligéa, Leucosia und Partenope, die sich aus Verzweiflung darüber, dass Odysseus vor ihren Gesängen geflohen war, ins Meer gestürzt haben und die von den drei kleinen Inseln „Li Galli“ vor Positano verkörpert werden. Heute ist Positano ein mondäner Badeort, über dessen Strand die majolikaverkleidete Kuppel der Kirche Santa Maria Assunta aufragt. Über viele, viele Stufen hinunter bahnen wir uns den Weg zum Hafen und zum Spiaggia Grande, zwischendurch treffen wir ein amerikanisches Ehepaar, das uns auf der Suche nach dem richtigen Weg um Hilfe bittet – nicht, dass man die falsche Treppe wählt und letztendlich vielleicht noch mal nach oben steigen muss – und werden belohnt mit einem Badegang vor traumhafter Kulisse. Wegen der ansteigenden Mittagshitze und dem glühenden Sand, sind mehr als zwei Badegänge allerdings nicht drin und so erkunden wir die engen Gassen der Stadt, können der Versuchung nicht widerstehen und essen herrliche Cannoli, auch wenn wir das eigentlich erst auf Sizilien tun sollten, besorgen ein paar Mitbringsel für uns und die Lieben zu Hause und schwingen uns dann wieder auf unsere Vespa – immerhin gibt es noch Einiges zu erkunden.

Praiano

Auf der Weiterfahrt in Richtung des Namensgebers der Costiera Amalfitana erreichen wir eine Art Geheimtipp auf der Route – Praiano überrascht durch vergleichsweise wenig Touristen. Zur Mittagzeit scheint es beinahe ausgestorben, aber gerade das erzeugt eine ganz besondere Stimmung und wir nehmen einen schattigen Platz in einem der wenigen Praianogeöffneten Ristoranti ein. Bei Antipasti, Bruschetta und Auberginen mit Parmesan sammeln wir Kräfte  für den nächsten Abstieg vieler, vieler Stufen. Vorbei an der Kirche San Luca Evangelista, vor deren Toren italienische Jungen Fußball spielen, führen wieder einmal enge Gässchen und Treppen zu einem sehr gut ausgeschilderten Strand, der allerdings mit dem von Positano nicht zu vergleichen ist. Von den Felsen springt man hier ins Meer und ein paar Meter weiter ertönt plötzlich laute Clubmusik. Unerwartet stehen wir auf einmal mitten in einem augenscheinlich angesagten Strandclub, in dem die wenigen Besucher Aperol Spritz trinkend in Sitzsäcken liegen und ab und zu über ihren Privateinstieg ins kühle Nass gleiten. So etwas haben wir am Fuße dieses ruhigen Örtchens wirklich nicht erwartet und sind uns kurz unsicher, ob wir vielleicht Teil der Gruppe werden sollten, entscheiden uns dann aber doch dazu, noch weitere Strände ausfindig zu machen. Zum Glück! Nachdem es zu mehreren Spaggias partout keine Abgänge zu geben scheint, finden wir eine Perle etwas südlich von Praiano, zu der wir nicht nur mit einem Boot Zugang finden. Wir genießen noch einmal das Bad im warmen Mittelmeer und lassen uns und unsere Gedanken einfach nur so treiben.

Amalfi

Amalfi erstrahlt uns nicht wie Positano sofort, sondern wartet etwas versteckter mit seinen Schätzen wie den engen Gässchen oder dem beeindruckenden Dom auf. Heute ist der Namensgeber der malerischen Küstenstraße ‚nur’ noch ein hübscher Badeort mit 6.000 Einwohnern, vom neunten bis zum elften Jahrhundert war er eine bedeutende Seerepublik und stand mit seinen damals 50.000 Einwohnern in Konkurrenz mit Genua, Pisa und Venedig. Im 14. Jahrhundert zerstörte eine Sturmflut den glanzvollen Ort beinahe komplett, sodass heute nur noch der Dom aus dem neunten Jahrhundert an die einstige Bedeutung Amalfis erinnert. Zahlreiche Treppenstufen führen zu dem 1203 im arabisch-normannischen sizilianischen Stil umgebauten Dom, mitten im Gewirr der vielen kleinen Gässchen. Am Fuße der Stufen essen wir das beste Zitroneneis aller Zeiten und schlendern danach noch ein bisschen durch den touristenüberfüllten Ort. Wir können uns an diesen Orten einfach nicht satt sehen, doch es droht dunkel zu werden und so machen wir uns auf den Rückweg nach Sorrento – den schmalen Kurven und den vielen AmalfiReisebussen, die uns auf der  traumhaft schönen, aber ganz bestimmt nicht ungefährlichen Costiera Amalfitana immer wieder entgegenkommen, sollten wir lieber nur im Tageslicht begegnen. Der Rückweg im Sonnenuntergang beeindruckt noch einmal besonders und auch die mittlerweile tief hängenden Wolken in den Bergen haben einen ganz besonderen Charme. Immer noch leicht bekleidet spüren wir die Höhenunterschiede auch an der Temperatur auf unserer Haut und der Blick auf den Golf von Salerno schweift und schweift und schweift … (zumindest bei mir als Beifahrerin). Plötzlich sind wir wieder mitten im Abendtrubel von Sorrento und schaffen es mit dem ausgiebigen Abendessen und den unbeschreiblich freundlichen und herzlichen Kellnern und Limocello-Verkäufern tatsächlich, dem Erlebten noch einen drauf zu setzen. Nach den drei Gängen gibt es sogar noch eine Portion Panna Cotta aufs Haus, damit wir ehrlich unsere Meinung dazu sagen und – natürlich – im Internet eine positive Bewertung abgeben. „Ich finde in diesem Volk die lebhafteste und geistreichste Industrie, nicht um reich zu werden, sondern um sorgenfrei zu leben“, hat Goethe 1787 auf seiner Italienischen Reise gesagt.