Sport mal anders

Wer schon mal vom E-Sport (Elektronischer Sport) gehört hat weiß, dass Sport auch anders geht, als z.B. auf dem Fußballfeld. Denn E-Sport findet in der virtuellen Welt statt. Ähnlich wie beim Fußball werden Wettkämpfe und Meisterschaften ausgetragen, nur tummeln sich hier eben keine Balljäger auf der Wiese, sondern superschnelle Finger auf Maus und Tastatur. Der sportliche Anteil beim E-Sport liegt jedoch nicht ausschließlich in der Fingerfertigkeit, sondern hauptsächlich im strategischen Denken. Während sich die Fähigkeiten der Fußballer nämlich aufs Laufen und Ballschießen konzentrieren und die geistige Lampe auch mal aus bleiben darf, müssen E-Sportler gerade im geistigen Bereich ordentlich Gas geben können. Räumliches- und taktisches Denken, Orientierungssinn, eine schnelle Reaktionsfähigkeit und Durchhaltevermögen sind unabdingbar, um ein erfolgreicher E-Sportler zu werden. Vorausschauend und sogenannte Querdenker müssen sie sein. Und natürlich müssen sie über eine gute Motorik verfügen, vor allem in Bezug auf die Hand-Augen-Koordination.
Seinen Ursprung hat der virtuelle Sport (wie sollte es auch anders sein?) in den USA. Heute erreicht die Sportart jedoch vor allem in Südkorea ein hohes Maß an Professionalität. Durch die E-Sport-Branche wurden dort bis heute rund 200.000 Arbeitsplätze geschaffen. In Deutschland wird die Anzahl der E-Sportler auf 1,5-4,5 Millionen geschätzt, in Südkorea sind es gut 10 Millionen. Offensichtlich nehmen die Computerspieler ihre Leidenschaft sehr ernst, auch wenn sie von der Öffentlichkeit manchmal als realitätsferne Faulpelze belächelt werden, oder sogar als potenzielle Amokläufer gefürchtet sind. Doch ist so eine E-Sport-Szene nicht auch irgendwie eine logische Konsequenz der fortschreitenden Digitalisierung einer globalen Gesellschaft? Und ist eine E-Sport-Szene im Untergrund nicht vielleicht sogar sympathischer, als ein Kommerzapparat, wie der Fußball-Sport? Um dem Phänomen des E-Sports ein Stück weit auf die Spur zu kommen, habe ich mir (virtuell) Stefan Pauka, alias derFrodo, einen Moderator von Amateur-E-Sport-Wettkämpfen, geschnappt – und zum Gespräch gebeten:

 

Hallo Stefan, wie erklärst Du jemandem, der noch nie davon gehört hat, was E-Sport ist?

Hallo zusammen und erst einmal danke für die Einladung zu diesem Interview. E-Sport ist ja ein Begriff, der sich weitestgehend selbst erklärt und sich gerade jüngeren Menschen recht schnell erschließt. Schwieriger ist es, die Vorurteile, die zumeist damit aufkommen, auszuräumen. Denn gerade Menschen, die bislang keinen Kontakt zu E-Sports hatten, sind nicht zuletzt dank vieler negativ-Berichterstattungen in den Medien, PC- und Konsolenspielen gegenüber sehr kritisch eingestellt. Und nicht selten sind sie verwundert, dass sich hinter dem Begriff E-Sports inzwischen keine kleine, pickelige und bebrillte Nerd-Subkultur mehr versteckt, sondern ein wirklich beachtenswertes sportliches Talent. Dabei ziehe ich bei Erklärungen gerne Vergleiche zum „Denksport“ Schach, aber auch zu Events wie „Fußballspielen“ heran, denn die Fernsehübertragung ähnelt doch inzwischen sehr dem, was wir im E-Sports erleben. (Nur, dass E-Sportler, Caster und Moderatoren es technisch meist besser können *lach*)

 

Wie bist Du dazu gekommen, E-Sport-Spiele zu moderieren?

Offen gestanden war es ursprünglich eine Schnapsidee. Inzwischen bin ich ja wieder ziemlich entfremdet von dem professionellen E-Sports, was auch meiner Grundidee von damals ziemlich nahe kommt. Ich wollte einfach mir selbst und auch meinen Bekannten (dass irgendwer anderes zusehen würde, hätte ich nie gedacht) beweisen, dass es auch ohne das Schmettern von Fachbegriffen und großen Namen spannend sein kann, Starcraft 2-Spiele zu begleiten. Daher hatte ich mir auch immer zum Ziel gesetzt, einsteigerfreundlich und vor allem primär kommentierend zu casten bzw. zu moderieren und weniger Wert auf tiefschürfende Taktikanalysen zu legen. Das bekommt man bei Fußballspielen bestenfalls in der Halbzeitpause – ich empfinde es aus eigener Erfahrung auch als angenehmer, eine Moderation zu hören die versucht, die Spannung in der Partie zu vermitteln und nicht eine ausführliche Taktikanalyse abzugeben.

 

Wo bzw. wie kann man sich die Spiele anschauen?

Das hängt immer von dem entsprechenden Moderator ab. Grundsätzlich ist sicher Youtube immer eine gute Anlaufstelle, um sich mit dem Stil der entsprechenden Moderatoren vertraut zu machen, denn auch hier gibt es große Unterschiede. Grundsätzlich hat man heutzutage eine große Auswahl an verschiedenen Anbietern von Casts. Live kann man diese meist bei Großevents via Stream, also als Live-Video, verfolgen, dafür gibt es verschiedene Plattformen. Die mir bekannten größten wären wohl „twitch.tv“ und „own3d.tv“. Natürlich haben viele Webseiten, die sich mit E-Sports beschäftigen, auch Streamlisten, die meist dynamisch aus diesen Seiten ausgelesen werden. Ich selbst habe auch so ein Plugin programmiert und auf meiner Seite, www.derfrodo.de, bereitgestellt.

 

Du bist als Moderator recht erfolgreich mit mittlerweile über 10.000 Youtube-Abonnenten. Nimmt die Beschäftigung mit dem E-Sport einen starken Einfluss auf Dein Privat- und/oder Berufsleben?

Tatsächlich gibt es viele Elemente in meinem Beruf, bei denen mir die Beschäftigung mit E-Sports oder viel mehr mit den damit verbundenen Videos geholfen hat. Als Hindernis habe ich es bislang nie wahrgenommen. Allerdings muss ich auch eingestehen, dass es Zeit kostet. Grundsätzlich sieht man als Zuschauer immer nur das Endprodukt. Dass dahinter meist viel Zeit, technische Recherche und sicher auch der eine oder andere Fehlversuch und die eine oder andere Neuaufnahme steckt, merkt der Zuschauer natürlich nicht. Aber ich sehe es für mich als Hobby. Ich denke, das sollte man auch und damit bin ich eigentlich recht gut ausgelastet. Tatsache ist, dass ich nebenbei wenig Zeit für ein zweites hätte, aber das geht anderen Menschen, deren Hobby es beispielsweise ist, Modellbau zu betreiben, sicher nicht anders.

 

E-Sport kommt ursprünglich aus den USA und wird heute z.B. in Südkorea ungemein professionell gehandhabt, so werden Beispielsweise Wettkämpfe bzw. Meisterschaften im Fernsehen übertragen. Wie schätzt Du die Möglichkeiten hierzulande ein? Wird der E-Sport in Zukunft, über die FTW-Übertragungen hinaus, auch hier ein solches Maß an Professionalität erreichen?

Offen gestanden würde ich es mir wünschen, dass E-Sports in Deutschland weiter professionalisiert wird. Allerdings sehe ich dabei auch ein wenig die Gefahr, dass die Vielfalt, die es augenblicklich im E-Sports und Let’s Play-Bereich gibt, immer weiter reduziert wird. Ich selbst komme zwar nicht allzu häufig dazu, mir fremde Casts oder Let’s Plays anzusehen, stelle aber immer wieder fest, dass ich persönlich meist unbekanntere Moderatoren bevorzuge. Allerdings scheint es mir, als entwickelte sich die Szene immer weiter in die Richtung einiger weniger Moderatoren, die dann umso erfolgreicher sind und die gesamte Zuschauerschaft für sich beanspruchen. Dagegen ist, bei entsprechender Qualität, nichts zu sagen. Ich befürchte nur, dass aufgrund des Erfolges (wer möchte ihn nicht für sich behalten) immer mehr unbekannte Moderatoren die Zuschauer verlieren und damit die Vielfalt schwindet. Ich schließe mich da selbst auch nicht aus.

 

In den Videos verschiedener Moderatoren fallen häufig Worte wie Kill, Composition, Patches, mined out, gemicrowed, lift offs, angesofted usw. Die Sprache der E-Sport-Kultur ist also stark durch die englische Sprache geprägt und viele Wörter sind eine Mischung aus Deutsch und Englisch. Es gibt Stimmen, die behaupten, dass Du beim moderieren auf Deine Sprache achtest. Stimmt das?

Das ist richtig. Zum einen ist mein Englisch unterirdisch bis grausam, zum anderen moderiere ich auf Deutsch und sehe bis auf einige Begriffe, die sich nur höchst unsauber ins Deutsche übersetzen lassen, keinen Anlass, zwingend in Denglisch zu moderieren. Inzwischen habe ich zwar in einigen Bereichen meine Sprache der allgemeinen E-Sports-Sprache angepasst, dies liegt aber primär daran, dass gerade der Starcraft 2-Bereich auf mich nicht mehr den Eindruck macht, als würde dieser besonders viele neue Zuschauer locken. Dies mag nicht zuletzt dem Erfolg einiger Moderatoren geschuldet sein, die sich dieser Problematik bisher nicht gestellt haben. Womöglich ist dies auch ein Hindernis für eine Professionalisierung des E-Sports in Deutschland.

 

Ist die Computerspiel-Szene dabei, sich bewusst eine für Außenstehende schwer verständliche Sprache zu schaffen? Oder ist der englische Anteil eher notwendig für die internationale Verständigung der E-Sportler untereinander?

Wie schon gesagt: Ich erkenne die Problematik, glaube aber auch, dass dieses Problem von vielen eigentlich gar nicht angegangen werden möchte. Internationale Verständigung ist ja gerade in einem deutschen Cast oder einer Forendiskussion nicht notwendig. Ob man zwingend alles eindeutschen muss, weiß ich nicht, aber gerade auf einschlägigen Plattformen, die sich wirklich nur mit E-Sports befassen, schien es mir in der Zeit, als ich selbst im professionellen Bereich (unter anderem für ESL-Radio) unterwegs war, ein Zeichen von Schwäche/Unwissenheit zu sein, wenn man diese Fachbegriffe nicht verwendete. 
Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Benutzung der Fachbegriffe für viele so etwas wie eine Eintrittskarte in den Kreis der erlauchten Profis darstellt. Als müsste man diese Begriffe nutzen, um überhaupt ernst genommen zu werden. Vielleicht ist es hier ähnlich, wie in anderen Subkulturen: Man benötigt gewisse Erkennungsmerkmale, um dazugehören zu dürfen. In manchen Foren wird mit Fachbegriffen um sich geschmissen und beleidigt – was natürlich auch ein Problem ist, denn wer möchte schon in einem Forum oder Streamchat aktiv sein, in dem er beleidigt wird, weil er nachfragt, was denn nun ein „six-pool“ ist.

 

Wenn man auf der Spielemesse GamesCom vorbeischaut oder auch einen Blick auf die Teilnehmer bzw. Zuschauer des Homestory-Cups wirft, dann kann einem auffallen, dass Nationalitäten scheinbar überhaupt keine Rolle spielen. Dort herrscht eine lässige, fast schon brüderliche Atmosphäre unter den Besuchern aus allen möglichen Ländern der Welt.

Ich habe den Eindruck, dass gerade der professionelle Bereich des E-Sports höchst international und freundschaftlich ist. Die von mir beschriebenen negativen Elemente wurden mir noch nie von einem Spieler oder einem anderen Moderator vorgeworfen, sondern von Zuschauern.
Tatsächlich hatte ich inzwischen das Glück, mich unter anderem mit den wohl bekanntesten Moderatoren der deutschen
Starcraft 2-Szene, Khaldor und Take, unterhalten zu können. Keiner von beiden war in irgendeiner Form unfreundlich oder herablassend. Beide sind unglaublich tolle Persönlichkeiten. Und wenn einige ihrer Fans das oben genannte „Mobbing“ gegenüber Neueinsteigern betreiben, haben sie einfach nicht verstanden, worum es den beiden geht: Sie wollen tolle Unterhaltung und ein schönes Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen, bei dem Hautfarbe, Geschlecht und Religion keine Rolle spielen. Denn genau das macht diese Spiele doch aus: Sie haben für jedermann, der sie spielt, die selben Regeln und da ist es völlig egal, welche Muttersprache man spricht. Ich würde mir wünschen, dass dieses Gefühl verstärkt von Zuschauern übernommen wird und nicht zuletzt auch bei den häufig sehr kritischen Medienberichten Beachtung findet.

 

Das hast Du schön gesagt! Und nun noch zwei kleine Fragen am Rande: Deutsche Fußballbegeisterte sind für ihre Vorliebe für Bier und Currywurst bekannt, gibt es solche Stereotypen auch für E-Sport-Freunde?

Der Legende nach, hat jeder E-Sport-Freund mindestens 7 Pizzakartons in der Wohnung *lach*. Nein, ich glaube nicht, dass man hier wirklich einen festen Trend setzen kann. Natürlich wird immer wieder Fastfood gegessen, was gerade bei Messen ja auch naheliegend ist. Sicher ist Kaffee ein Getränk von dem man immer wieder hört, aber auch Bier wird gerne konsumiert. Auch der E-Sport ist männlich dominiert und ein Freizeitprogramm, bei dem man sich als Zuschauer vor den Fernseher aufs Sofa legen kann – daher werden es wohl genauso die Chips, die Cola oder das Bier sein. Ich selbst habe wohl nur einen Tick: Ich trinke beim Zuschauen von Streams immer nur aus einer bestimmten Tasse – aber das ist wohl ein ganz persönliches Ding.

 

Kannst Du nicht mal ein „Lass uns Spielen“ (Let´s Play) von Die Schule der kleinen Vampire machen?

Klingt unterhaltsam – von dem Spiel habe ich noch nie etwas gehört, da ich aber gerade meine Aufzeichnungen zu einem meiner laufenden LPs beendet habe, nehme ich das Spiel gerne in die Liste meiner nächsten Projekte auf!

Vielen Dank, dass Du dir die Zeit genommen hast. Ich wünsche Dir weiterhin viel Spaß mit dem E-Sport.

Vielen Dank für die Fragen. Ich drücke Euch die Daumen für Euren Blog – denn im Augenblick ist jeder, der sich für den E-Sports engagiert bitter nötig, um das Lebensgefühl des „Nerd und stolz drauf“ hier in Deutschland zu erhalten!