Gaunerzinken – Die Geheimsprache der Einbrecher und Bettler

CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=342661
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Durch Zeichen und Symbole kann man mühelos kommunizieren, wenn es denn mal keiner Lautsprache bedarf. Nicht nur die sogenannten Emojis, die nahezu allen digitalen Nachrichten beigefügt werden, bezeichnen anhand einfacher Symbole bestimmte Gefühlszustände und Ausdrücke – manchmal ersetzen sie sogar ganze Sätze. Diese kurze und knappe Form nicht-lautsprachiger Verständigungssysteme haben eine lange Tradition.

Gaunerzinken sind Symbole, die unter Bettlern, Einbrechern und auch Sektenwerbern als Verständigungsmittel und Hinweis auf die Art des Empfanges in den betreffenden Wohnungen und Häusern verwendet werden. Auch hier bezeichnen einfache Symbole ganze Sätze. Auf diese Weise markieren die Diebesbanden lohnende Tatorte und teilen dem Nachfolgenden mit, was und wer einen hinter den Türen erwartet und wie am besten vorgegangen werden soll

Die Gaunersprache hat eine jahrhundertealte Geschichte. Seit dem frühen 16. Jahrhundert hatten Gaunerbanden und Bettler dieses Verständigungssystem genutzt, um einander mitzuteilen wie und wo man erfolgreich stehlen, essen, betteln oder schlafen kann. In Banden kundschaftet beispielsweise zunächst eine Person die Ortschaft aus und lässt so seine Mittäter oder andere Einbrecher über Markierungen an den gesammelten Information über das beobachtete Objekt teilhaben.

Der Ausdruck „Zinken“ leitet sich vom lateinischen Begriff „signum“ (das Zeichen) und dem althochdeutschen Wort „Zinko“ (die Zacke) ab. Mitteilungszinken stellen grafische Zeichen des nonverbalen Sprachbereichs dar. Die geheimen Botschaften werden an Haustüren, -wänden, Gartenzäunen, Masten, Klingelbrettern, Briefkästen oder auf Türzargen aufgemalt. Oft sind sie so klein, dass sie von den Bewohnern übersehen werden – sie warnen und geben Tipps, wo was zu holen ist.

Bettlerzinken sind Zeichen, die angeben, ob es sich lohnt zu betteln, ob und wofür Almosen vergeben werden und wie die Bewohner auf das Betteln reagieren. Was schnell als Krakelei durch Kinder abgetan wird, kann viel mehr bedeuten. So heißt ein Kreuz in einem Kreis gezeichnet: „Hier gibt es essen!“. Wird die Silhouette einer Katze eingeritzt, wird zu verstehen gegeben, dass man hier ruhig aufdringlich werden soll. Ein Viereck mit einem Punkt in der Mitte warnt: „Vorsicht! Hier gibt es Prügel!“ Ein anderes Zeichen stellt klar, dass man gut empfangen wird, wenn man von Gott spricht. Ähnlich heißt es bei einem gemalten Kreuz: „Fromm tun!“ Durch Bettlerzinken wird z.B. auch mitgeteilt, dass man etwas bekommt, aber dafür erst arbeiten muss. Es wird auch Auskunft darüber gegeben, ob man am markierten Objekt eine Schlafstätte angeboten bekommt oder ob es sich lohnt „krank zu spielen“, um mehr mitnehmen zu können.

 

Über die Bewohner eines Wohnobjektes werden unter Kriminellen z.B. über Gaunerzinken diese Informationen geteilt:

  • Kein Mann im Haus
  • Alte Leute
  • Alleinstehende Frau
  • Vorsicht, bissiger Hund
  • Wohnung eines Polizisten

 

Auch über das Objekt an sich werden Auskünfte geteilt:

  • Hier kann Gewalt ausgeübt werden
  • Hier gibt es was zu holen
  • Hier gibt es nichts
  • Bereits ausgeraubt
  • Das Haus ist immer bewohnt
  • Einbruch am Abend lohnt sich

 

Von Uli Himstedt - Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=44826950
Von Uli Himstedt – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=44826950

 

 

Erstaunlicherweise scheinen Gaunerzinken wieder aktuell von Einbrechern und auch von Sektenwerbern genutzt zu werden. Im Münsterland, Ruhrgebiet sowie in Österreich wurde seit dem letzten Jahr immer wieder von neuen Fällen berichtet. Die Polizei warnte sogar über Facebook die Markierungen im Auge zu behalten.

Doch auch die Gaunersprache hat sich im modernen Zeitalter angepasst: Heutzutage kommt das sogenannte „War-Chalking“ zum Einsatz (englisch: chalk = Kreide). Hierbei werden mittels Kreidezeichen unverschlüsselte WLAN-Zugänge markiert. Nicht nur die frei zugänglichen Netze werden gekennzeichnet (zwei entgegengesetzte Halbkreise) sondern auch verschlüsselte Netze (geschlossener Kreis). Den verschlüsselten Netzwerken werden rund um die gekennzeichnete Stelle die dazu bekannten Passwörter beigefügt.
Der Bonner General-Anzeiger veröffentlichte bereits 1926 insgesamt 24 Symbole aus der Geheimschrift der Bettler und Gauner. Die Liste der Symbole samt ihrer Bedeutungen wurde am 25.4.2016 erneut abgedruckt. Eine aktuelle Darstellung aller Gaunerzinken kann hier abgerufen werden.