New Orleans – ‚Wiege des Jazz‘
Angekommen am Flughafen von New Orleans werden wir freudestrahlend von der Gastgeberin in Empfang genommen – an meinen Krücken erkennt sie mich sofort. „In den nächsten Tagen zeige ich Euch alles von meiner neuen Heimat, was wisst Ihr denn schon über die Stadt?“, fragt sie. Ehrlich gesagt, nicht viel – wir sind zum ersten Mal gereist, ohne uns vorher groß belesen zu haben. Wenn wir schon bei ‚Einheimischen’ wohnen, haben wir doch schließlich die besten Reiseführer direkt vor der Nase! Natürlich denken wir an Hurrikan Katrina, der vor elf Jahren schlimme Verwüstungen anrichtete, als wir in New Orleans einfahren. Die eigentlichen Zerstörungen kamen allerdings durch die Überschwemmungen des Lake Pontchartrain zustande, viele Bewohner mussten Unterschlupf im Superdome suchen, welcher die größte Stadt Louisianas überthront. Als dann 2005 große Teile NoLas unter Wasser standen, wurde sogar überlegt, die teils unter dem Meeresspiegel liegende Metropole komplett aufzugeben. Heute allerdings erwartet sie uns wiederbelebt und voll Trubel.
„Gute Musik und gutes Essen“, das habe ich vorher über New Orleans gehört. Fangen wir also gleich mit dem guten Essen an. Direkt kommt uns der Einheimischenstatus zugute, denn wir werden mitgenommen zu einem typischen Crawfish Boil. Es ist Sonntagnachmittag, glühende Hitze, nichtsdestotrotz stehen circa dreißig Clubmitglieder (Stammtisch würden wir in Deutschland wohl dazu sagen) um einen Riesentopf voll mit scharf gewürzten Flusskrebsen und allerlei Beilagen und pulen um die Wette. Dazu gibt es, klar, Margarita. Wir gesellen uns schüchtern dazu, lassen uns erklären, wie man am besten den Crawfish schält und: genießen. Als Nachtisch gibt es farbenfrohe Cupcakes und wir sind so euphorisch, dass sogar die Margarita in der glühenden Hitze schmeckt.
Die gute Musik erleben wir tatsächlich so gut wie an jeder Straßenecke. Collegebands üben, indem sie auf die Straße gehen und kleine Umzüge starten, Brassbands tauchen wie aus dem Nichts an jeder Straßenecke auf und blasen um die Wette. Innerhalb von Sekunden versammeln sich Menschenmassen um sie und tanzen – selbst im Regen. Lebensfreude pur, allein durch die Kraft der Musik. Dabei schmücken bunte Ketten die Straßen, Laternen und Bäume. Die eigentlich nur am „Mardi Gras“, der französischen Bezeichnung für Faschingsdienstag, geschmissenen Schmuckstücke befinden sich einfach überall und werden rund um die Uhr getragen, geworfen oder aufgesammelt. Selbstverständlich nehmen auch wir ein paar zur Verzierung unseres Heims in Deutschland mit.
Mit einem typischen Streetcar fahren wir zum French Quarter – allein die Fahrt wird in der
offenen hölzernen Straßenbahn zum Erlebnis – und für mich zum bequemsten Weg der Stadterkundung. Wir sehen herrschaftliche Villen im Garden District und genießen dabei den Wind auf unserer Haut. Berliner Straßenbahnen werde ich von nun an nur noch ungern betreten. Der Eingang vom French Quarter, die berühmte Bourbon Street, ist leider geprägt vom Partytourismus, denn auch wenn im „To-Go-Cup“, Alkohol auf offener Straße trinken ist in New Orleans erlaubt, wenn nicht sogar erwünscht. Wir schlagen uns weiter zum eigentlichen Vieux Carré durch und fühlen uns anhand der charmanten Bauten in die spanische und französische Zeit NoLas zurückversetzt – 1718 wurde es hier von Jean-Baptiste Le Moyne de Bienville gegründet. Aufgrund seiner hohen Lage direkt am Mississippi, wurde das Viertel 2005 so gut wie nicht zerstört.
Auch wenn es ‚uns als Deutsche’ während des Aufenthalts immer wieder empfohlen wurde, das World-War-II-Museum besuchen wir bewusst nicht. Nicht auszumalen, was dort wohl ausgestellt sein wird … Dafür nehmen wir lieber an einer geführten „Walking Tour“ teil, bei der ich meinen Knieschmerz ignorieren und tapfer im selben Tempo mitlaufen muss. So gelangen wir auch auf den berühmten Friedhof St. Louis #1, wo unter anderem die Voodoo-Priesterin Marie Laveau begraben liegt. Um sie gibt es so viele Legenden und Geschichten, dass auch heute noch Touristen zu ihrem Grab gelockt werden, drei Kreuze drauf malen oder andere ‚Schändungen’ betreiben, damit sich ihre Wünsche erfüllen. Um das etwas einzugrenzen, ist der Friedhof nicht mehr öffentlich zugänglich, aber so eine Tour ist ja auch viel interessanter. So erfahren wir zum Beispiel, dass Nicolas Cage für sein alle anderen überragendes bereits fertig gestelltes Grabmal in Obeliskenform von den Einwohnern New Orleans belächelt wird und dass wir uns nach der Tour auf dem kürzesten Weg aus dieser unfreundlichen Nachbarschaft entfernen sollen. Eines lernen wir in New Orleans an jeder Ecke – Straßenkriminalität ist immer noch ein großes Problem, was nicht zuletzt an der immer noch vorherrschenden Rassenproblematik und der zu oft rassistisch gestimmten Polizei liegt, denn wie unser „Guide“ uns halb scherzhaft mit auf den Weg gibt: NOPD steht nicht für New Orleans Police Departement, sondern vielmehr für „Not our problem, dude“ (zu Deutsch: nicht unser Problem, Kumpel).
Da wir während unseres Aufenthalts immer wieder gefragt werden, ob wir denn schon Alligator probiert hätten, lassen wir uns auch das nicht entgehen und schauen uns die Alligatoren vorher in den Sümpfen so gut es geht an – größtenteils verstecken sie sich vor den Touristen, aber ab und an entdecken wir doch mal einen im Wasser faulenzen oder langsam auf die Jagd nach einem Frosch gehen. Wahrscheinlich ist es besser, dass wir den Alligatoren nicht allzu nah kommen, da ich mich immer noch langsamer als sie fortbewege.
Unser Besuch in New Orleans wird abgeschlossen von einem typischen Zydeco-Tanz inklusive Bowling – beides nichts für mein schmerzendes Knie und trotzdem auch passiv ein einmalig amerikanisches Erlebnis. Akkordeon und Waschbrett sind typisch für die Mischung aus Cajun- und afroamerikanischer Musik, dazu gibt es Kreistanz mit Partnerwechsel – und natürlich zwischendurch immer mal wieder einen „Strike“. Amerikanischer geht es wohl kaum, daher freuen wir uns am nächsten Tag auch ein kleines bisschen, wieder nach hause zu kommen, wo ich nun endlich mein Knie-MRT nachholen kann, damit es bald wieder heißt: Auf zu neuen Reisezielen und der Sammlung neuer Geschichten.