Hasskriminalität im Netz oder: Die digitale Rechts(un)ordnung

facebookTäglich stoßen wir auf Beleidigungen, Morddrohungen und Hetze im Netz. Meist richten sich diese Äußerungen gegen Minderheiten, Schwache oder einfach nur gegen Andersdenkende. Schließlich lassen sich Falschmeldungen und Diskriminierungen unter der Decke der anonymen Welt des Internets ungeniert ausdrücken – so rutschen die „sozialen“ Medien schnell auf die asoziale Schiene. Würden sich die Verfasser solcher Nachrichten auch von Angesicht zu Angesicht, völlig enthemmt, dieser aggressiven Rhetorik bedienen? Und warum sind die Opfer dieser Hassbotschaften den Verfassern hilflos ausgeliefert? Befinden wir uns etwa in einer rechtsfreien digitalen Zone? Ein Münchner Rechtsanwalt will das so nicht akzeptieren …

Chan-Jo Jun hat Facebook angezeigt. Das zeigt eine interessante Reportage des SPIEGEL TV Magazins, das sich dem Thema „Hass auf Facebook“ widmet. Die Reporter zeigen nicht nur viele geschmacklose Beispiele an Hasspostings, sondern besuchen einige Verfasser zu Hause, um sie mit ihrem Verhalten zu konfrontieren. Was in der realen Welt verboten und strafbar ist, zieht in der digitalen Welt keine rechtlichen Folgen nach sich. Rassismus, Gewaltfantasien und Beleidigungen unter der Gürtellinie finden vor allem Gehör bei Gleichgesinnten. Und wenn Facebook im Hinblick auf die Prüfung von Morddrohungen feststellt, dass diese nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen und sich weigert die IP-Adressen der Verfasser weiterzugeben, ist die Polizei machtlos. So scheint sich der Verdacht, dass es sich bei Facebook um einen rechtsfreien Raum handelt, zu bestätigen. Zwar hält sich Facebook an gewisse Gesetze, es sind allerdings keine deutschen. Facebook hat seine ganz eigene Rechtsordnung: So ist die Zurschaustellung von Nacktheit strikt verboten, wohingegen rechtswidrige Inhalte erlaubt sind. Da fragt man sich: Was soll das?

Das dachte sich auch Chan-Jo Jun und erstatte Strafanzeige gegen Facebook. Er hat mittlerweile bis zu vierhundert Hasskommentare gesammelt, von denen er in der Reportage einige schockierende vorträgt. Facebook hingegen ist davon überzeugt, dass die Nichteinmischung den Austausch untereinander fördert – ob dieser Austausch durch rationale und soziale Diskussionen oder durch Hass stattfindet, scheint keine Rolle zu spielen. Diesen Eindruck bestätigen auch die zwei Facebook-Hetzer, die in der Reportage zu Wort kommen. „Freie Meinungsäußerung“ und „Provokation“ seien ihre Nachrichten; die Polizei wird grinsend verspottet, weil sie in dieser Grauzone der Rechtslage nicht genau bestimmen kann, wann es sich um Meinungsäußerung und wann um Gesetzesverstöße handelt.

Mit Hass zum Erfolg? Die Formel scheint so manches Mal aufzugehen. Jüngstes Beispiel: Auch der designierte amerikanische Präsident Donald Trump nutzte die „sozialen“ Medien, um Hasstiraden und meist auch Lügen zu verbreiten – genutzt hat es ihm, der Erfolg war auf seiner Seite. Doch warum funktioniert die Masche? Wenn Lügengeschichten immer und immer wiederholt werden, bleiben sie besser in Erinnerung. Ganz gleich, ob sie der Wahrheit entsprechen oder nicht, sie wecken bestimmte Emotionen, bleiben hängen und am Ende möchten sie von manch einem einfach geglaubt werden.

Zum Glück aber gibt es genügend Menschen, die sich zum Ziel gesetzt haben, gegen den Hass im Internet vorzugehen oder denen, die hilflos sind, Hilfestellungen zu geben. Ingrid Broding z. B. erklärt in ihrem Buch „Hass im Netz“ was man gegen Hetze, Mobbing und Lügen unternehmen kann. Auch das „Bundestrollamt“ setzt sich „für gegen digitalen Hass“ ein und fordert „Internettigkeit“. Mit mehreren Kurzvideos hat es eine Kampagne gegen Hass im Netz gestartet und stellt klar: „Hass ist keine Meinung!“ Wie wahr …