Sing meinen Song – sprich meine Sprache?

Am vergangenen Dienstag flimmerte auf dem Sender VOX die letzte Folge der diesjährigen Staffel „Sing meinen Song“ über die Fernsehbildschirme. Ein guter Zeitpunkt für mich, um darüber zu sprechen, was mich an dieser Sendung begeistert.

Vermutlich werden die meisten Zuschauer wegen der tollen Musik einschalten. Vielleicht sind sie Fans des ein oder anderen Musikers und freuen sich, einmal einen tieferen Einblick in Entstehungsgeschichten der Lieblingslieder zu bekommen. Vielleicht wollen sie altbekannte Lieder neu entdecken oder interessieren sich für die Möglichkeiten, die die Interpreten nutzen, um den Songs neue Gestalt zu geben.

Mich fasziniert an dem Format aber noch ein weiteres Themenfeld, das nicht so sehr im Vordergrund steht: Der Umgang mit Sprache.
Am auffälligsten ist diese wohl immer an den Stellen der Sendung, an denen ein Sänger in einer Sprache singt, welche er normalerweise nicht selber in seinen Liedern verwendet. Oder wenn sich jemand entscheidet, die Sprache eines Titels zu ändern, um beispielsweise einige Strophen in seiner Muttersprache umzutexten und so seine eigenen Erfahrungen in Bezug auf die Songthematik einzubringen. Diese Momente regen dazu an, sich mit verschiedenen Fragen auseinanderzusetzen:

Kann ich mit meiner Sprache das ausdrücken, was ich sagen will? Was bedeutet mir meine Muttersprache oder die Sprache des Landes, in dem ich lebe? Welche Schwierigkeiten können bei der Übersetzung auftreten? Insbesondere, wenn der übersetzte Text weiterhin auf die Melodie passen und die gleiche Stimmung transportieren soll, rhythmisch ähnlich sein soll? Wie klingt meine Sprache eigentlich? Ist sie “Musik in meinen Ohren” oder benutze ich sie lediglich als Werkzeug zum Austausch von Informationen? Welcher Sprache bedient sich die Musik, die ich hauptsächlich höre und welche Bedeutung hat der Text in dieser Musik für mich, wenn ich die instrumentale Bridge an einem Stück am meisten feiere?

Diese Fragen können sich nicht nur die Zuschauer stellen, sondern auch die auftretenden Sänger beschäftigen sich intensiv damit. Die gewohnte Sprache abzulegen und etwas Neues zu probieren, vielleicht verletzlich zu werden, wenn man plötzlich in seiner Muttersprache singt oder die Tiefendimension der eigenen Sprache ganz neu zu erleben hat bereits dazu beigetragen, dass sich Künstler, die sonst ausschließlich englisch gesungen haben, dazu entschieden haben, nach „Sing meinen Song“ Lieder in deutscher Sprache zu produzieren.

„Sing meinen Song“ macht auch wieder neu aufmerksam auf deutschsprachige Musik und zeigt die Vielfältigkeit und Möglichkeiten der deutschen Sprache auf, in den unterschiedlichsten Genres zu funktionieren und Gefühl zu transportieren.

Die Neutinterpretationen lenken den Blick durch die Einsicht in die Veränderbarkeit auf die Frage, was ein Musikstück aussagen will und auf welche Weise dies erreicht wird. So können sich die Zuschauer auf den unterschiedlichsten Ebenen mit allen Komponenten eines Liedes auseinandersetzen. Schon die teils hitzigen Debatten, die nach der Vergabe der Ukulele für den „Song des Abends“ auf dem heimischen Sofa entstanden, zeigen, dass die Sendung es schafft, kontroverse Diskussionen auszulösen und Auseinandersetzungen zu provozieren.

Und das alles während eines unterhaltsamen Abends mit Musik und stimmungsvollen, teils höchst emotionalen Bildern.

Dank der Online-Mediathek kann man den Folgen der letzten Staffel online noch einmal nachhängen und sich zu einer Auseinandersetzung mit der sprachlichen Ebene der Musik inspirieren lassen.

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