Italien: Ziel der Flüchtlinge?

In den letzten Jahren ist Italien, zusammen mit Griechenland, zum Sehnsuchtsort tausender Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge geworden. Aufgrund unserer besonderen geographischen Lage sind wir für Tausende von Afrikanern, Asiaten und Menschen aus dem nahen Osten, die die Europäische Union als Chance auf ein besseres Leben betrachten, zum Sprungbrett für Europa geworden.

Wegen des großen Zustroms sind wir im Laufe der Jahre gezwungen worden, uns so zu organisieren, dass wir diese humanitäre Notsituationen, mit denen wir uns noch nie zuvor konfrontiert sahen, bewältigen konnten. Vielleicht waren wir anfangs nicht gut organisiert und vielleicht sind wir es noch nicht hundertprozentig, aber wir sind offen gegenüber denjenigen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um eine Reise mit unbekanntem Ausgang anzutreten.

Als die mit diesen verzweifelten Menschen beladenen Boote in Lampedusa ankamen, hatte die Mehrheit der Italiener starkes Mitgefühl mit ihnen und Wut auf die verbrecherischen Schleuser, die sich zulasten der Schwächsten bereichern. Wir haben die Flüchtlinge unterstützt, indem wir ihnen Nahrung und Kleidung zur Verfügung gestellt und uns um sie gesorgt haben. Wir haben über 25.000 unbegleitete Minderjährige betreut und diese in geschützte Strukturen gebracht. Um Ghetto-Viertel wie in Frankreich zu vermeiden, wurde beschlossen, dass jede italienische Gemeinde im Verhältnis zur Bevölkerung eine bestimmte Anzahl von Migranten aufnehmen sollte, um die Integration zu erleichtern und gleichzeitig zu beschleunigen. Die vielen Frauen, die Gewalt aller Art erlitten hatten, wurden in Familienhäusern untergebracht, wo sie psychologische Unterstützung erhielten. Die südlichen Regionen Italiens waren dabei trotz all ihrer wirtschaftlichen und sozialen Probleme viel hilfsbereiter und offener als die des Nordens.

Die Bewältigung dieser Notsituation wurde privaten Unternehmen aufgetragen, von denen jedoch einige nicht in der Lage waren, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Es gab auch unehrliche Veranstalter, die auf den Rücken der Flüchtlinge spekuliert und die Situation ausgenutzt haben; aber vor allem gab es ein ohrenbetäubendes Schweigen vonseiten Europas, das offenbar alle Probleme dieser Notsituation an Italien und Griechenland delegieren wollte.

Die EU zeigte ein kurzsichtiges Verhalten gegenüber einem Problem, das epochale Dimensionen erreicht hat. Durch die Unterzeichnung der Rechtsverträge zum Beitritt in die EU, deren wichtigste Voraussetzung die Achtung der demokratischen Werte ist und in denen sowohl Menschenrechte als auch der freie Waren- und Personenverkehr behandelt werden, haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Verantwortung. Viele haben sich jedoch gänzlich geweigert, sich dieser Verantwortung zu stellen. Stattdessen haben sie Stacheldrahtbarrieren errichtet, während Italien und Griechenland sich bemüht haben, denjenigen zu helfen, die um bessere Lebensbedingungen baten. Das ärmere Südeuropa zeigt sich freundlicher als der reiche Norden.

Wir mussten uns alleine mit einer Tragödie auseinandersetzen, die durch Kriege und Unruhen in Afrika, insbesondere im Nahen Osten ausgelöst wurde. Dieser ständige Zustrom von Menschen mit einer anderen Kultur, Religion und Lebensphilosophie als der westlichen hat in unserem Land eine immer weniger tolerante Haltung gegenüber Einwanderern verursacht.

Es gibt eine zunehmende Feindseligkeit, vor allem gegenüber Einwanderern islamischer Religion, die dazu neigen, sich nicht in unsere Lebensweise zu integrieren oder schwer begreifen, dass sie es sind, die sich anpassen müssen, weil sie die Gäste dieses Landes mit seinen Gesetzen und seiner Kultur sind. Wir haben zum Beispiel Fälle erlebt, in denen Menschen sich geweigert haben, für das verbrauchte Wasser zu zahlen, weil in ihrem Land für Wasser keine Bezahlung nötig war. Die Kulturvermittler mussten eingreifen, um ihnen zu erklären, dass sie nicht das Wasser an sich bezahlen mussten, sondern die Prozesse der Aufbereitung, die Instandhaltung der Leitungen, die Kosten für die Verteilung und die Kontrolle der Trinkbarkeit des Wassers.

Es gab weiterhin Fälle von Teenager-Mädchen, die gezwungen wurden, die Schule zu verlassen, um erwachsene Männer zu heiraten. Die Justiz musste oft eingreifen, um diese Ehen zu verhindern, weil sie gegen das italienische Recht verstoßen, da sie als pädophile Akte gelten. Dies verursachte viele Probleme mit den verschiedenen kulturellen Gemeinschaften, insbesondere mit der ägyptischen Gemeinschaft.

Kurz zusammengefasst: Der Weg der Integration ist ziemlich schwierig und lang. Aber alle hoffen, dass dies ohne Gewalt, mit gegenseitigem Respekt und vor allem mit der Akzeptanz unserer Gesetze, Bräuche, und Sitten, vor allem von Seite der Migranten, geschieht.

Ein Gastbeitrag von Martina Graniero aus Rom

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