Studienreise durch Deutschland: von Ost nach West
Seit vielen Jahren habe ich ab und zu vom Studium in Deutschland geträumt, besonders stark im November, als ich den onSET Deutschtest auf B1-Niveau bestanden habe. Letztes Jahr ging dieser Traum nicht in Erfüllung, nicht nur durch meine eigene Schuld, sondern auch durch die Schuld der Mitarbeiterin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, die die Regeln der Beteiligung an diesen Sprachprogrammen nur auf Russisch erklärt hat und die niemand klar verstehen konnte, aber mit dem Verein Deutsche Sprache gab es gar keine Probleme, alles hat gut geklappt.
Ich bin Vladislav Pitsunov, 21 Jahre alt. Endlich ist mein achtes Semester an der Mogiljower Staatlichen Universität fast zu Ende. Obwohl mir nicht alles an meiner Fakultät für Fremdsprachen gefällt, zum Beispiel fehlt mir eine gute und regelmäßige Sprachpraxis im Englisch-Deutschunterricht, aber ich finde die deutsche Grammatik nicht so schlimm, dank meiner Deutschlehrerin, von der unsere staatliche Ausbildung leider nicht abhängt. Darum habe ich mich entschieden, die mündliche und schriftliche Prüfung an der Uni abzulegen, die unter den Studenten des vierten Kurses Ende Februar stattfand, um ein Stipendium des VDS zu gewinnen. Als ich am selben Tag erfahren habe, das ich dieses Stipendium bekommen habe, fing ich an, mit der Hilfe meines ehemaligen Lehrers für Geopolitik, Herrn Stavsky, und des VDS-Geschäftsführers, Dr. Holger Klatte, alle notwendigen Unterlagen für die Genehmigung des Visums zu sammeln. Ich kann dazu sagen: Ein Schengen-Visum zu erhalten – das ist wie in den Kosmos zu fliegen.
Also, mein Studientermin in der Bundesrepublik Deutschland begann am 22. April und endete am 17. Mai. Es ist unmöglich, die Unterschiede zwischen meiner Heimat und Deutschland zu beschreiben, weil nicht alle Deutschen wissen, wo Belarus liegt, selbst als ich mich mit meiner Gastfamilie bekanntgemacht habe, wurde ich gefragt, ob Belarus Teil der Ukraine ist und ob dieses Land zur EU gehört. Beim Abendbrot habe ich meiner netten Gastfamilie Haussmann verschiedene landeskundliche Geschichten übers Leben und den Zustand in Belarus erzählt, sie haben mir sehr aufmerksam zugehört und waren von vielen Dingen sehr begeistert.
Ich habe in Berlin mehr als 20 Tage verbracht, die Hauptstadt gefiel mir sehr, aber ich musste ohne Hilfe alle Sehenswürdigkeiten Berlins selbstständig finden. Aber ich hatte den genauen Stadtplan, einen Fahrschein Berlin AB für einen Monat und genug Geld, so hatte ich keine Probleme, es gab keine Gründe, sich in Berlin zu verlieren. Die Stadt Berlin, die meiner Meinung nach zu den abgesondertsten Hauptstädten der Welt gehört, ist der Hauptstadt Weißrusslands Minsk nicht ähnlich, es ist aber sinnlos, diese beiden Städte zu vergleichen. Minsk ist wohl die sauberste Hauptstadt der Welt, aber sowieso gibt es keinen Müll auf den Straßen wie in Berlin, weil die Menschen wenig Geld verdienen und fast nichts da hergestellt wird, um viel Müll auf der Straße wegzuwerfen. Ich war sehr von den Berlinern überrascht, die in den Zügen Bier getrunken haben. Warum wurden sie eigentlich von den Polizisten nicht bestraft? In Weißrussland wirst du sehr aufmerksam von den Polizisten beobachtet, sogar, wenn du mit einer verschlossenen Flasche Bier auf die Straße gehst. Warum stellen die jungen Menschen die leeren Flaschen auf dem Boden ab? Warum schnäuzen sich die Deutschen so laut, dass ich es entfernt hören kann? In Russland macht das niemand so. Warum muss ich Menschen, die die ganze Zeit im Tierpark oder am Alex rumlungern, ignorieren und auf ihre Frage „Do you speak English?“ immer „No“ antworten? Als ich verstanden hatte, dass ich jetzt nicht mehr in Belarus bin, konnte ich auf diese von mir gestellte Frage leicht antworten: In Weißrussland lebt man anders als man hier lebt, in jedem Land gibt es verschiedene Vor- und Nachteile. Ich will die Nachteile des Lebens in Belarus nicht sagen, ich will nicht weinen. In meiner Heimat haben wir zum Beispiel verschiedene dämliche Gesetze, die immer vom belarussischen Parlament empfangen werden – mit deren Hilfe können die staatlichen Organe ein bisschen Geld verdienen, das sie sehr brauchen, um bequem zu existieren. Ihnen ist die Meinung des Volkes ganz egal.
Also, der Alexanderplatz war besonders interessant für mich – das Herz der DDR, wo ich verschiedene Menschen sehen konnte, um klar zu verstehen, dass Berlin eine freie Hauptstadt ist, wo man sich anziehen kann, wie man will, wo man seine Meinung sagen kann, wie und wann und in welcher Art man das machen möchte. Ich bin auch sehr froh, dass es in Deutschland für 35 Euro strafbar ist, Tauben zu füttern. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich Tauben hasse. Ich habe entschieden, am letzten Donnerstag nach Potsdam zu fahren. Die Hauptstadt von Brandenburg ist sehr still und leise. Alle Gebäude dieser Stadt sind den Gebäuden des Stadtzentrums von Mogiljov ähnlich.
Der Unterricht in der Neuen Schule Berlins ging von 14.30 bis 17.45 Uhr, so hatte ich genug Zeit, nicht nur gut in der Frühe zu schlafen, sondern auch zum Stadtzentrum mit zwei Zwischenstopps zu fahren und da einen längeren Bummel zu machen. Der ganze Kurs ist kommunikativ orientiert, es gab wenige grammatische Aufgaben, ich war mit diesen Dingen ganz zufrieden, alle Themen in Grammatik, die wir durchgeführt haben, waren mir gut bekannt. Weil ich solche grammatischen Aufgaben vier Studienjahre schriftlich gemacht habe, kann ich sie nicht mehr ertragen, sogar in einem guten Sprachkurs in Deutschland. Dieser Sprachkurs in Berlin ist sehr nützlich für mich, weil ich jetzt Ahnung habe, wie sich ein guter Deutschlehrer benehmen muss, um den Unterricht nicht langweilig oder nutzlos für die Studenten werden zu lassen. Ich werde niemals vergessen, wie unser Deutschlehrer ein sehr interessantes Beispiel der Superlativformen der Adjektive gezeigt hat: „Angela Merkel ist der schlimmste Politiker Deutschlands“. Wo bleibt die Stasi, der Geheimdienst? Wenn der Lehrer in Weißrussland wäre, würde er solche Dinge über das dortige Staatsoberhaupt nie sagen. Jeder Mensch, der Deutschland besucht und aus den Ländern der ehemaligen sowjetischen Union kommt, wird überrascht von seinem Benehmen sein.
Meine Gruppe war sehr freundlich, ich konnte mich sogar mit der Polin auf Russisch unterhalten, weil man in Polen meine Muttersprache ziemlich gut versteht. Es war sehr lustig zu beobachten, wie zwei Mädchen aus Südkorea miteinander Deutsch gesprochen haben, aber kaum ein Wort verstanden haben, ihnen beiden fiel die deutsche Grammatik schwer. Leider hatte ich keine Möglichkeit, mich am Stammtisch zu beteiligen, um meine Gruppenkameraden, die aus allen Kontinenten stammten, näher kennenlernen zu können, weil ich dann nach Dortmund gefahren bin. Am letzten Tag hat aber die Studentin aus Argentinien Kuchen und Kekse mitgebracht und wir hatten viel Spaß während der Pause.
Als mein Sprachkurs in Berlin zu Ende war, bin ich weiter nach Westen gefahren, nach Dortmund. Es kam mir sehr gelegen, die 20 Tage in Berlin und nicht in Dortmund zu verbringen. Außer vielen Kirchen im Stadtzentrum, die zeigen, dass die Bürger von Dortmund sehr religiös sind, gibt es ja keine Sehenswürdigkeiten, für die sich die ausländischen Touristen interessieren können. Am ersten Tag fiel mir keine Lösung ein, was ich am Sonntag hier tun kann, weil alle Kaufhäuser und Läden in Deutschland sonntags geschlossen sind. In Belarus sind alle Geschäfte im Gegenteil jeden Tag auf, sogar an Feiertagen. Ich erinnere mich an die Gelegenheit in Mogiljov, als eine Verkäuferin mit ihrem Chef geschimpft hat, dass sie sich wünscht, nicht bis 23 Uhr am 31. Dezember zu arbeiten. In Deutschland kann man sich ein solches Gespräch kaum vorstellen.
Nach einer halben Stunde hat mir Herr Klatte den herrlichen Vorschlag gemacht, am Sonntag nach Köln zu fahren. Alle notwendigen Infos habe ich von ihm auch bekommen. Am 13. Mai kam ich in Köln an; über Essen, Düsseldorf und andere bekannte Städte vom Bundesland Nordrhein-Westfalen und wurde am Hauptbahnhof von Janina abgeholt. Vor Kurzem habe ich auch erfahren, dass sie im September an meiner Alma Mater Deutsch als Fremdsprache unterrichten wird und ich kann wohl auch ihr Student werden. Sie hat mir das ganze Stadtzentrum und den Kölner Dom gezeigt. Es ist uns leider misslungen, einzutreten. Die Regenschirme haben uns nicht geholfen, wir beide wurden nass, aber sogar dieses Wetter hat unsere Stimmung nicht verschlechtert. Köln hat mir auch gefallen, aber Berlin wurde schon sozusagen zu meiner Liebe. Als Belohnung für den interessanten Ausflug habe ich ihr erzählt, was auf sie in der Stadt Mogiljov wartet und wie ich sie nicht beneide. Es wäre sehr grausam, ihr von der Qualität unserer Wohnheime zu erzählen. Beispielsweise sah ich einmal, als ich in der Frühe aufstand, plötzlich auf meinem Kissen eine Schabe, die in der Nacht von meinem Kopf getötet worden war, als ich mich schlafen gelegt hatte. Wahrscheinlich ist ihr zukünftiges Wohnheim in Mogiljov besser als meins, aber das ist nicht sicher. Ich habe ihr auch nicht erzählt, dass keiner der Studenten sich selbstständig ein paar deutsche Sätze ausdenken kann, obwohl viele von ihnen sehr begabt sind. Die weißrussische Ausbildung hat viele Probleme in bestimmten Feldern: Gesetzgebende und vollziehende Organe haben gar keine Lust, diese ewigen Probleme zu lösen – sogar im Gegenteil – sie denken sich immer etwas Neues aus, das auch nicht funktioniert. Selbst meine Gastgeberin in Berlin hat mir gesagt, dass Gesetz und Ordnung immer an der ersten Stelle in Deutschland stehen und ihrer Meinung nach besser funktionieren im Vergleich mit den Vereinigten Staaten von Amerika.
Ich nahm von Janina an der Bahnhaltestelle netten Abschied und und ich hoffe sehr darauf, dass wir noch eine solche schöne Verabredung im September an der Uni haben.
Zum Abschluss absolvierte ich ein kurzes Sprachpraktikum beim VDS, wo ich mich mit netten und interessanten Büroarbeitern bekanntgemacht habe. Dort war ich sechs Tage lang Mitarbeiter und mir wurde auch bei der Fehlerkorrektur dieses Artikels geholfen, den Sie nun lesen. Danach bin ich von Düsseldorf über Kiew in Richtung nach Minsk gereist.
Diese Reise durch Deutschland werde ich nie vergessen und ich werde mich nach dieser prima Zeit sehnen. Ich habe ein anderes Deutschland für mich entdeckt, neue Leute kennengelernt und, freilich, auch meine Deutschkenntnisse verbessert. Alle Fotos übrigens, die in diesem Artikel verwendet wurden, sind eigene Aufnahmen.