Tarantino im Kino
Zur Zeit läuft der neue Tarantino im Kino – Django Unchained. Und wer sich bewusst einen seiner Filme ansieht, der weiß was er bekommt. Also widme ich meinen jährlichen Kinobesuch in diesem Jahr gerne diesem Ausnahmeregisseur. Quentin Tarantino selbst ist ja nicht gerade eine Augenweide, eigentlich sieht er noch nicht einmal gut aus, aber er ist ohne Zweifel ein echtes Genie (er hat immerhin einen IQ von 160) und – er ist Kult! Doch was macht seine Filme eigentlich so außergewöhnlich? Für mich ist die Antwort ganz klar.
Aber erstmal ein paar Sätze zum Film: Django (die älteren Semester unter uns werden sich direkt an den 60er Jahre Italo-Western erinnert fühlen) ist ein Film über die Sklaverei und Django ist ein Sklave, der von einem äußerst kühnen Kopfgeldjäger nicht nur die Freiheit geschenkt bekommt, sondern auch in der Kunst des Kopfgeldjagens ausgebildet wird. Und schnell wird klar, hier geht es um wahre Männerfreundschaft. Weil Django also dem ehemaligen Zahnarzt aus Düsseldorf, Dr. King Schultz (übrigens getragen von seinem Pferd Fritz), bei der Jagd nach bösen Verbrechern hilft, hilft Dr. Schultz dem ehemaligen Sklaven, seine Frau zu finden, die auf einer Plantage weiterhin als Sklavin gehalten wird. Die Zusammenarbeit der beiden gegensätzlichen Charaktere gestaltet sich dabei ziemlich abenteuerlich, schon allein deshalb, weil Django als dunkelhäutiger Cowboy ein Pferd reitet. Und nun zu den Besonderheiten:
1. Tarantino ist dafür bekannt, dass er seine Schauspieler spielen lässt und sie nicht regiert. Nun will ich nicht sagen, dass ein Schauspieler wie Christoph Waltz mir vor diesem Film negativ aufgefallen wäre (naja vielleicht will ich gerade das sagen), aber hier spielt er den Mentor von Django einfach brillant; und ich meine wirklich brillant!
2. Tarantino nimmt sich in seinen Filmen stets Zeit für Dialoge und übertritt dabei auch schon mal die Grenze zum Zuschauer, z.B. als Stephen eigentlich mit dem gefesselten Django spricht, doch wir uns als Kino-Zuschauer unter seinen riesigen Augen sitzend wiederfinden. Augen, die eindringlich auf uns herab sehen, während der verräterische Sklave seine düstere Weisheit verbreitet.
3. Die Musik. Tarantino-Filme sind grundsätzlich von guter alter Musik begleitet, auf die sich die Charaktere zum Teil sogar aufbauen (z.B. King Schultz).
4. Die wiederkehrenden Gesichter. Viele Filmemacher halten es ja eher für schädlich, die selben Gesichter immer wieder auftauchen zu lassen (und das kann auch durchaus nervig sein). Doch wenn die selben Schauspieler mit sehr unterschiedlichen Charakteren besetzt werden, wie z.B. Christoph Waltz in Inglorious Basterds mit einem Nazi-Bösewicht, in Django aber mit einen ehrbaren Mann (- so ehrbar wie ein Kopfgeldjäger eben sein kann) oder Samuel L. Jackson als vermeintlich gottesfürchtiger Auftragsmörder in Pulp Fiction und als plappernde Nervensäge in Django, dann kann ich nicht nur gefallen an den Schauspielern finden, sondern bekomme auch noch eine Vorstellung ihres Könnens. Aber auch die kurzweiligen Auftritte bestimmter Gesichter, die immer mal wiederkehren und so zu einem laufenden Witz werden, bescheren Tarantino-Filmen eine einschlägige Stilistik: wenn man den fiesen Texasranger aus Kill Bill und Death Proof (ein Hoch auf die Emanzipation) als schrulligen Cowboy in Django wiedersieht oder Tarantino selbst in Pulp Fiction den übernervösen Pantoffelhelden mimt und in Django als dümmlicher Cowboy in die Luft gesprengt wird (Selbstironie lässt grüßen!). Und wo wir schon bei der Stilistik sind: Der sogenannte Trunk Shot, also die Kameraperspektive aus dem Kofferraum eines Autos heraus – oder in Django eben aus dem Käfigwagen.
5. Man kann Tarantinos Filme trotz seiner mehr als 20 Jahre im Filmgeschäft an zwei Händen abzählen, es sind insgesamt acht. Von Faulheit kann hier allerdings nicht die Rede sein, sondern nur von gehobenem Anspruch. Neben seinen eigenen Filmen hat er auch Drehbücher geschrieben, die er nicht selbst abgedreht hat, wie z.B. True Romance, From Dusk till Dawn oder Natural Born Killers, dessen Umsetzung er aber so schlecht fand, dass er ihn nicht einmal zu Ende angesehen hat. Außerdem zählen zwei Kurzfilme, einzelne Filmszenen (Sin City, Four Rooms) oder Serienfolgen (Emergency Room – kaum zu glauben, aber es ist wahr) zu seinem bisherigen Gesamtwerk.
Was ihn jedoch vor allem von seinen Hollywood-Kollegen unterscheidet ist seine Kamera, denn er dreht seine Filme nach wie vor auf Zelluloid und nicht digital. Auch dadurch erhalten seine Filme einen ganz eigenen Charme in den Zeiten von HD-Fernsehen.
Wir haben es mit Quentin Tarantino also offensichtlich mit einem Künstler zu tun. Ein Künstler, der sich in die düsteren Gefilde vorwagt. Denn in seinen Filmen sind die Unschuldigen die Guten und die Bösen sind abgrundtief, doch die Gerechten sind noch viel böser. Auch darum sind Tarantino-Filme einfach genial. Und darum sind seine Filme auch nichts für Kinder und zarte Seelen, denn Mord, sehr schlechte Menschen und Splatter-Elemente fehlen nur selten bis gar nicht – aber gehaltvoller Tiefgrund eben auch nicht. Was Django Unchained mir als erstes gesagt hat ist, dass wir uns genauso an die Sklaverei erinnern müssen wie an den Nationalsozialismus, damit so etwas grausames nie wieder passiert.
Eure Lisa