Deutsche Sprache – Leichte Sprache

Deutsche Sprache, schwere Sprache! Kaum ein (Vor-) Urteil über das Deutsche wird so häufig reproduziert. Mit ihren vielen verschiedenen Artikeln, ellenlangen Komposita und komplizierten Nebensatzkonstruktionen hat das Deutsche sicher schon so manchen Lernenden in den Wahnsinn getrieben. Und selbst für Muttersprachler, insbesondere solche mit Leseschwierigkeiten, ist es nicht immer leicht, komplexe Texte zu verstehen. Doch für viele gibt es vielleicht eine Lösung: Leichte Sprache!

Was ist Leichte Sprache?

Unter Leichter Sprache versteht man eine nach spezifischen Richtlinien vereinfachte Sprache, die Texte für Menschen, die aus verschiedenen Gründen im Verstehen der deutschen Sprache eingeschränkt sind, auf das Wesentliche reduzieren. Leichte Sprache leistet dadurch einen Beitrag zur Barrierefreiheit und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe.

Wer ist auf Leichte Sprache angewiesen?

Zahlreiche Menschen profitieren von Leichter Sprache: Menschen mit verschiedenen Behinderungen, Betroffene von Leserechtschreibschwäche (LRS), Menschen mit Demenz, Personen, für die Deutsch eine Fremdsprache ist und die gerade erst anfangen, Deutsch zu lernen, oder Touristen. Insgesamt gibt es etwa 14 Millionen Menschen, die Leichte Sprache brauchen.

Menschen, für die Deutsch eine Fremdsprache ist, also i. d. R. Geflüchtete, Auswanderer und Touristen, aber auch Austauschschüler und Studenten im Auslandssemester, kann mit Texten in Leichter Sprache entgegengekommen werden. Aus der Perspektive vieler Sprachen ist Deutsch eine sehr schwierige und dadurch unattraktive Sprache. Zwar belegt das Deutsche immerhin den 12. Platz in der Tabelle meistgesprochener Sprachen, allerdings nur, wenn man sich dabei auf Muttersprachler bezieht. Als Fremdsprache lernen nur wenige Menschen freiwillig Deutsch, weil es für viele im Verhältnis zum erwarteten Nutzen zu schwierig ist. Es ist ein sich selbst aufrechterhaltendes System: Zu komplexe Sprachen werden seltener gelernt und somit seltener gesprochen. Selten gesprochene Sprachen bringen Neulernern keinen großen kommunikativen Vorteil. Sprache wandelt sich naturgemäß immer in Richtung einer Vereinfachung. Leichte Sprache kann auch insofern einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der gesamten deutschen Sprache leisten.

Wie profitieren auch Menschen von Leichter Sprache, die nicht auf diese angewiesen sind?

Auch für Menschen, die nicht auf Leichte Sprache angewiesen sind, bringt diese Form der Textanpassung einige Vorteile mit sich. So lässt sich z. B. Zeit sparen, wenn man die Nachrichten in Leichter Sprache liest. Leichte Sprache kann außerdem ein Bewusstsein für den Kern von Sprache schaffen. Wer sich mit der Übersetzung von Texten in Leichte Sprache auseinandersetzt, übt dabei auch, seine Gedanken auf den Punkt zu bringen.

Eine Sprache für alle unter einen Hut bringen?

Die diverse Zielgruppe stellt die Übersetzer von Texten in Leichte Sprache allerdings vor die Herausforderung, den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wenn ein Erwachsener ein eingeschränktes Leseverständnis hat, kann eine unsensible Vereinfachung von Texten den Eindruck erwecken, man nehme die Person nicht ernst, behandele sie wie ein Kleinkind und bevormunde sie. Texte so zu vereinfachen, dass die Seriosität gewahrt wird, ist oft ein Drahtseilakt und erfordert Fingerspitzengefühl.

Kritisiert wird von manchen außerdem, dass Leichte Sprache die Defizite von Menschen zur Schau stellen würde. Diskrete Textanpassungen schließen daher ein, das Layout trotzdem seriös zu gestalten. Trotzdem erkennt man Texte in Leichter Sprache meist auf den ersten Blick: viele Bilder, kurze Texte, viele Absätze.

Kein Wort zu viel, aber auch kein Wort zu wenig lautet die Devise Leichter Sprache. Bei der Anpassung von Texten muss darauf geachtet werden, das keine wichtige Information verloren geht und das Wesentliche erhalten bleibt.

Eine Gefahr besteht auch darin, dass Übersetzer ihre Macht missbrauchen könnten und in die Übersetzungen unbemerkt ihre eigene Meinung einfließen lassen oder framen (d. h. bestimmte Informationen bewusst auslassen oder betonen). Betroffene haben nur eingeschränkte Möglichkeiten, solche Texte zu erkennen, denn während in unangepasster Form meist zahlreiche Beträge zu einem Thema existieren, die vom Leser miteinander verglichen werden können, gibt es in Leichter Sprache meist (wenn überhaupt) nur eine Version.

Verdirbt Leichte Sprache die deutsche Sprache?

Die Befürchtung steht im Raum, Leichte Sprache könne den Verfall der deutschen Sprache weiter vorantreiben, indem sie Menschen zur Bequemlichkeit verleitet und den Anreiz, „normal“ deutsch zu lernen, schmälert. Leichte Sprache will jedoch keinewegs einen Ersatz zur Ausgangsformulierung darstellen. Vielmehr geht es darum, Menschen die Möglichkeit zu geben mitzureden, die dazu ansonsten nicht in der Lage wären. Außerdem trainiert das Formulieren in Leichter Sprache auch, den wesentlichen Inhalt in einfachen Worten auszudrücken, ohne dass dabei etwas verloren geht. Es geht bei der Übersetzung in Leichte Sprache überwiegend um Sachtexte und praktische Informationen. Der Verein Deutsche Sprache ehrte die Selbsthilfegruppe Mensch zuerst im Jahr 2009 mit einem Initiativpreis für ihren Einsatz zur Verbreitung Leichter Sprache.

Was muss in Leichte Sprache „übersetzt“ werden?

Eine gesetzliche Pflicht, Texte in Leichter Sprache anzubieten, gibt es nicht, allerdings werden viele Texte größerer Homepages, z. B. von Ärzten oder Nachrichten, in Leichte Sprache übersetzt. Optimalerweise sollten auch Beipackzettel von Medikamenten, Bedienungsanleitungen, amtliche Formulare oder Wahlunterlagen in Leichter Sprache erhältlich sein. Das ist jedoch aktuell meist noch nicht der Fall.

Worauf muss man achten, wenn man in Leichter Sprache sprechen und schreiben will?

Unter anderem um der Gefahr des Machtmissbrauchs vorzubeugen, gibt es für anerkannte Übersetzer umfangreiche Schulungen und eine Prüfpflicht für Übersetzungen. Betroffene werden in den Prozess der Übersetzung und Beurteilung engmaschig einbezogen. Die „Lebenshilfe Bremen“ bietet verschiedene Fortbildungen zum Thema Leichte Sprache an, die auch online absolviert und z. T. auch mit einem Zertifikat abgeschlossen werden können.

Wer in Leichter Sprache formulieren will, sollte kurze Sätze bilden und darauf achten, dass in jedem Satz nur eine Information steckt. Es werden nur Aktivsätze nach dem Subjekt-Verb-Objekt-Modell ohne Konjunktiv gebildet. Der Genetiv wird durch präpositionale Fügungen mit „von“ ersetzt. Doppelte Verneinungen werden vermieden, präzise Mengenangaben oder Jahreszahlen versprachlicht (z. B. „vor langer Zeit“ statt 1810). Da das Deutsche für seine schier unendlichen Komposita bekannt ist, werden in Leichter Sprache zusammengesetzte Wörter durch Bindestriche visuell voneinander getrennt. Viele Absätze und Überschriften gliedern den Text optisch. Komplizierte Wörter und Abkürzungen werden nicht als bekannt vorausgesetzt, sondern aufgeschlüsselt. Fremd- und Fachwörter werden übersetzt. Auf Sonderzeichen wird verzichtet, ebenso auf Kursivschrift oder Großbuchstaben. Jeder Satz steht in einer eigenen Zeile. Texte werden linksbündig gedruckt und Bilder und Text optisch getrennt. Statt „öffentlicher Nahverkehr“ ist z. B. von „Bus und Bahn“ die Rede. Mit Wiederholungen sollte allerdings nicht übertrieben werden (Deutschlandfunk, 2024). Auch die Höflichkeitsform „Sie“ wird wie in der Standardsprache genutzt.

Beispielsweise der Verein Netzwerk Leichte Sprache e. V. oder die Deutsche Gesellschaft für Leichte Sprache geben Leitlinien zur Übersetzung in Leichte Sprache heraus. Auch die Universität Hildesheim und Inclusion Europe haben solche Regelwerke veröffentlicht. Außerdem gibt es neuerdings die „DIN SPEC 33429 – Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache“ als einheitliches Regelwerk.

Wer bietet schon Inhalte in Leichter Sprache an?

Der Deutschlandfunk bietet jeden Freitag um 19:05 Uhr Nachrichten der letzen Woche in Einfacher (nicht Leichter) Sprache an. Auf nachrichtenleicht.de, einem Angebot des Deutschlandfunks, werden ebenfalls Nachrichten in Leichter Sprache in Text- und Audioform angeboten. Die Lebenshilfe Bremen hat u.a. Kochbücher, einen Krimi und sogar Geschichten aus der Bibel in Leichter Sprache. Sie bietet aber auch ihre Dienste zur Übersetzung und Prüfung von Texten in Leichter Sprache an. Wer einmal selbst ausprobieren möchte, wie es ist, einen Text in Leichter Sprache umzuformulieren, darf diesen gerne als Vorlage verwenden :).


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