Fernweh
Fernweh
Von Frank Herzig
Wenn oft der Wind
die Wolken treibt
mit seiner ganz eigenen Sehnsucht
hinwegtragen will
aus unsicherem
heftigen Gedankenkreisel,
dann kann es passieren,
dass wir vom Hierbleiben reden
die Augen verschließen
und vom Mitnehmen
ganz leise
nur
träumen
Das Gedicht Fernweh von Frank Herzig besteht aus zwölf Versen in einer Strophe. Zahlreiche Enjambements verhindern Monotonie, betonen mentale Seinszustände wie „Sehnsucht“ (V.3) oder „Gedankenkreisel“ (V.6) und lassen das Gedicht als eine in sich geschlossene Einheit wirken.
Das erste von zwei Kommata (V.6) trennt das Gedicht auf formaler Ebene in zwei Abschnitte, in einen Bedingungssatz („Wenn“, V.1) und einen Folgesatz („dann“, V.7). Bedingt durch die Satzart ist das Gedicht auch inhaltlich geteilt. Zunächst beschreibt das lyrische Ich wie der Wind uns mit seiner „treibenden“ (V.2), und unvorhersehbaren („mit seiner ganz eigenen Sehnsucht“, V.3) Art den manchmal schwerwiegenden und immer wiederkehrenden Sorgen („heftigen Gedankenkreisel“, V.6) entreißen kann. Im Folgesatz hingegen beschreibt das lyrische Ich, wie wir im Kontrast zum aufkommendem Fernweh im Jetzt verwurzelt sind („vom Hierbleiben reden“ V.8) und unmittelbar daran gehindert sind, dem Fernweh zu folgen, obwohl wir eigentlich davon träumen, fern von unseren Alltagssorgen anderswo zu sein („vom Mitnehmen ganz leise nur träumen“, V.10-13). Somit ist Fernweh dem Moment gewidmet, in dem ein natürliches Phänomen (Wind) uns dazu einlädt, ein wenig abzuheben und zu träumen.
Der am 21.04.1961 geborene Lyriker Frank Karl Herzig ist Vater zweier Kinder und hat zunächst eine Ausbildung zum Ökonomen an einer Fachhochschule absolviert. Anschließend erfolgte ein Berufswechsel zum Deutschlehrer im Ausland in Ländern wie Jemen, Afghanistan, Ukraine und Jordanien. Derzeit ist Frank Herzig in Tadschikistan als Deutschlehrer tätig. Er unterstützt den Verein Deutsche Sprache e.V. anlässlich des Tages der deutschen Sprache und als Sprachberater das Sprachlernzentrum Duschanbe.