Bella Italia (Teil IV)

NeapelMehr als ein Jahr ist vergangen und wieder heißt es für meinen Freund und mich: Auf in das Land, in dem die Zitronen blühen, auf zu unserem neuen Traumziel, auf nach Bella Italia!

Nachdem wir auf unserer letzten Rundreise durch dieses wundervolle Land von Venedig über Verona, Mailand, Ligurien und Pisa nach Rom kamen, fangen wir nun genau dort wieder an: Von Rom aus soll uns unsere neue Route über Neapel und die traumhafte Amalfiküste bis nach Sizilien führen. Unterwegs sind wir wieder mit dem Zug, mit dem Boot und diesmal auch mit der Vespa. Wie im letzten Jahr halte ich Goethes Italienische Reise fest in der Hand und bin gespannt, ob es mir nach unserer Reise ähnlich wie dem Dichter gehen wird und ich wie er  feststellen werde: „Wenn ich Worte schreiben will, so stehen mir immer Bilder vor Augen des fruchtbaren Landes, des freien Meeres, der duftigen Inseln, des rauchenden Berges, und mir fehlen die Organe, das alles darzustellen.“

Napoli – Capri – Sorrento

Napoli

Da Rom uns in diesem Jahr nur als Startpunkt dient, fangen wir zu entdecken in Neapel an – „Vedi Napoli e poi muori!“ sagten sie hier schon zu Goethes Zeiten – „Siehe Neapel und stirb!“ Unser Reiseführer kündigt uns die drittgrößte Stadt Italiens als die „lauteste, hektischste, aber auch liebenswerteste unter den italienischen Metropolen“ an – leider gewinnen wir von Anfang an einen anderen Eindruck und sind froh, als wir den kurzen Weg vom Bahnhof zum Hotel erst einmal ohne Zwischenfall hinter uns bringen. „Hier ist mehr als alles, die Ufer, Buchten und Busen des Meeres, der Vesuv, die Stadt, die Vorstädte, die Kastelle und die Lusträume!“, schreibt Goethe, und heute ist es sogar noch mehr: Das gesamte Centro Stórico wurde im Jahr 1995 zum UNESCO-Welterbe ernannt, fast 300 Kirchen, Burgen und Stadthäuser sowie gleich drei Kastelle prägen den Stadtkern, doch leider merken wir von der Schönheit beim Durchschlendern in der Mittagsglut nicht allzu viel. Baustelle schlängelt sich um Baustelle, Bettler konkurrieren mit vermeintlichen Taschendieben und augenscheinlichen Kleinkriminellen. Dass Neapel am gleichnamigen Golf und im Schatten des Vesuvs eines der schönsten Panoramen weltweit zu bieten hat, dagegen ist ganz sicher nichts zu sagen, aber sicher fühlt man sich in dieser Stadt leider nicht. 

Nach unserer Stadtbesichtigung finden wir, nachdem wir zunächst versehentlich an der Badestelle eines Privatclubs landen, zum Glück einen Ort zum Erfrischen und springen gemeinsam mit Neapolitanern von Felsblöcken ins glasklare, aber etwas müllige Mittelmeer. Leider währt die Freude über die Erfrischung nicht lang, bewirft mich doch bald nach dem ersten Badegang ein junger Italiener gezielt mit einer vollen Wasserflasche. Zum Glück trifft sie mich nicht, sondern spritzt uns nur nass, wohl fühlen wir uns hier nun aber nicht mehr und machen uns auf zum Hotel. Auf der Straße scheint uns ebenjene Gruppe von Jugendlichen, zu der auch der Flaschenwerfer gehört, verfolgen zu wollen. Wir entscheiden uns für den sicheren Sprung ins nahende Taxi. Der Fahrer ist sehr freundlich, fragt wo wir herkommen und ob es unser erster Besuch in Neapel sei. Kein Taxameter läuft, dass wir wohl etwas übers Ohr gehauen werden, ist uns also bewusst – immer noch besser, als ausgeraubt zu werden. Als wir dann aber nach geschätzten fünf Minuten Taxifahrt ganze 25 Euro hinblättern sollen, sind wir wirklich frustriert und entscheiden, Neapel am nächsten Tag den Rücken zu kehren und mit der Fähre  nach Capri zu flüchten.

Capri

Die Fahrt nach Capri am frühen Morgen lässt uns ein klein wenig anders auf Neapel blicken – aus der Ferne können wir Goethes Beschreibungen schon besser nachvollziehen und sehen (immer noch nicht ganz überzeugt) „Neapel in seiner Herrlichkeit, die meilenlange Reihe von Häusern am flachen Ufer des Golfs hin, die Vorgebirge, Erdzungen, Felswände, dann die Inseln“ und sind uns dennoch sicher, dass die Camorra und die damit verbundene Kriminalität Neapels Stadtbild mehr und mehr zerstören.Capri
„Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt …“ – schon Kaiser Augustus soll hier den legendären Sonnenuntergang genossen haben, wir erkunden die traumhafte Insel der Schönen und Reichen auf unsere Art und mieten uns kurzerhand ein Motorboot. Einmal den Steuerhebel zum Test auf und ab bewegt und schon haben wir uns qualifiziert, das Boot zuverlässig lenken zu können – sicher dürfte man in Deutschland ohne Bootsführerschein nicht ohne Aufsicht Motorboot fahren, aber genau das ist ja das Schöne an der „Schule des leichten und lustigen Lebens“. Mit Anker, Taucherbrille und Schnorchel bewaffnet, erkunden wir die Weiße und die Grüne Grotte, die zusammen mit einer Vielzahl an weiteren Höhlen und Grotten in den letzen 2000 Jahren durch das Absinken der Insel entstanden sind. Vor der weltberühmten Blauen Grotte türmen sich die Touristenboote und neben der Tatsache, dass unsere wertvolle Zeit in der Warteschlange sinnlos verstreichen würde, müssten wir dort zusätzlichen Eintritt zahlen und darauf haben wir keine Lust. Wir genießen die Unabhängigkeit und das Gefühl von Luxus auf dem ‚eigenen’ Boot, sind nach der aufregenden Fahrt um die Insel mit ihren vielen markanten Felsklippen aber auch sehr froh, alles gut und sicher überstanden zu haben, und genießen nach vielen, vielen Stufen hinauf ins Zentrum Capris das atemberaubende Panorama zusammen mit einer der besten Pizzen des Urlaubs.

Sorrento und Pompeji

Ähnlich der Stimmung in Neapel ist die Weiterfahrt am nächsten Tag mit der sogenannten Circumvesuviana, einer Regionalbahn, die vom Hauptbahnhof Neapels bis zur Endstation Sorrent die wichtigsten Touristenziele am Golf von Neapel wie Pompeji oder Herculaneum anfährt. Wir sind froh über jeden Touristen, der einsteigt, denn nebenbei dient diese Bahn auch zur Verbindung der Vororte Neapels mit dem Zentrum und jeder, der Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra gelesen oder gesehen hat, kann sich vorstellen, was das bedeutet. Wir entscheiden bis zur Endstation zu fahren und Sorrent lässt uns auf der Stelle jeden bisherigen negativen Eindruck vergessen. Vis-à-vis von Capri thront der Küstenort auf einer Halbinsel am gleichnamigen Golf und ist heute einer der beliebtesten Bade- und Luftkurorte Italiens. Schon die römischen Kaiser ließen sich hier, wo der Dichter Torquato Tasso geboren wurde, Villen und Tempel bauen und unser Hotel ist ein Traum. Etwas entfernt vom Stadtzentrum und mit Blick auf Capri und den Vesuv besteigen wir unsere neue Unterkunft und können unser Glück kaum fassen. Auf dem eigenen Balkon oder am hauseigenen Swimmingpool werden wir in den nächsten Tagen die wohl schönsten Sonnenuntergänge unseres Lebens genießen und tagsüber den Weg durch Olivenhaine und Zitronenbäume nutzen, um an den Strand des kleinen Fischerorts zu gelangen. Goethe beschreibt „die beschatteten Felswände von Sorrent in schönstem Blau“ nur, als er sich auf dem Schiff nach Palermo befindet, gab es zu der Zeit ja auch die Circumvesuviana noch nicht. Wir sind die glücklichsten Menschen der Welt, dass wir in diesem verzauberten Ort Halt gemacht haben, von wo aus wir nicht nur die Amalfiküste, sondern auch Pompeji erkunden. Es war im Jahr 79, als der Vesuv eine riesige Wolke aus Schlacke, Steinen und Asche ausspuckte und das rot glühende Magma die römischen Städte Herculaneum und Pompeji unter sich begrub. Viele Einwohner konnten sich nicht mehr retten und wurden so samt ihrer Umgebung unter einer bis zu sechs Meter dicken Asche-, Lava- und Schlackeschicht begraben und dadurch mumifiziert. Goethe kommentiert bei seinem Besuch der Ruinen im Jahr 1787: „Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen, so viel Freude gemacht hätte.“ Das klingt vielleicht makaber, aber er hat Recht. Wir laufen durch die Ruinen von Pompeji und fühlen uns fast, als wären wir mittendrin im römischen Stadtgeschehen. Am meisten beeindrucken die ‚Abgüsse’ der Menschen, die das erkaltende Gestein hinterlassen hat. Schade ist nur, dass es so gut wie keine Hinweisschilder, dafür umso mehr Bauzäune gibt, welche die Vorstellungskraft ein wenig behindern. Die Ausgrabungen sind immer noch nicht abgeschlossen und wer weiß, was sich noch alles findet oder wie lange die beeindruckenden Überreste noch so gut erhalten bleiben können. Wenn sich allerdings Touristen auf die Ausgrabungsstücke setzen, weil sie diese während ihrer geführten Touren mit Sitzgelegenheiten verwechseln, sieht die Zukunft nicht sehr rosig aus.

Der Tag klingt für uns perfekt aus mit einer nach der großen Hitze unbedingt nötigen Erfrischung in der Hafenbucht Sorrents sowie einem der besten Essen im Hafenrestaurant mit Zitronenpasta und fangfrischem, am Tisch filetierten Fisch und natürlich mit: Limoncello. Der giftgelbe dickflüssige Zitronenlikör wird uns noch den einen oder anderen Abend versüßen, denn immerhin sind wir kurz vor der Amalfiküste, dazu im nächsten Teil mehr.
Sorrento