Jennifer Bentz – „Frühstück mit Sophie“
Zehn Dinge, die ich niemals tun wollte – Louisas Regeln
Jennifer Bentz hat gerade ihr drittes Buch geschrieben. Nach „Wenn alle Stricke reißen“ erscheint ihr zweiter Roman „Frühstück mit Sophie“ im Ullstein Verlag und beweist, wie unnötig Regeln sind.
Louisa plant alles in ihrem Leben – welcher Arbeit sie nachgeht und welche Karrierestufen sie wann erreicht haben möchte, wann sie den Mann fürs Leben kennenlernt, wann die Hochzeit ansteht und natürlich auch, wann sie ihren Eltern gemeinsam mit diesem ‚perfekten’ Partner die lang ersehnten Enkelchen schenkt. Da das immer noch nicht spießig genug ist, hat sich die Protagonistin aus „Frühstück mit Sophie“ neben diesen strengen Plänen auch noch mindestens ebenso strenge Regeln auferlegt. „Beherrsche dich selbst“ heißt da etwa oder „Halte dich immer an deine Pläne“. Anhand von zehn Grundregeln kämpft sie sich so durch ihr eigenes Leben – bis zu dem Moment, als alles ins Wanken gerät und ihr Freund ihr am Valentinstag zum Abendessen in einem schicken Restaurant nicht den erwarteten Heiratsantrag macht, sondern ihr im Gegenteil gesteht, seine Arbeitskollegin wäre schwanger von ihm. So tragisch das im ersten Moment wirkt und so sehr man mit der Protagonistin leidet, so ist dies doch das Beste, was ihr hätte passieren können. Denn nun kommt sie raus aus ihrem völlig verplanten Leben, rein ins absolute Chaos und tut sich erwartungsgemäß schwer damit.
Dank ihrer guten Freundin Lea, einer leicht cholerischen Fernsehmoderatorin, die den Lesern von „Wenn alle Stricke reißen“ bekannt vorkommen dürfte, zieht sie am nächsten Tag in die Wohnung eines „Studentenpärchens“ – dass dieses weit über das gewöhnliche Studentenalter hinaus ist, ahnt sie da noch nicht. In der Wohnung von Paul und Sophie, welche direkt unter Leas WG liegt, ärgert sich die Perfektionistin schnell über Chaos und Unordnung. Überhaupt scheint das ganze Haus komplett verrückt geworden zu sein. So gibt es einen Vermieter namens Willy Brandt mit dem aggressiven, aber mit Schokolade zu bestechenden Papagei Fluffy, der einem im Waschkeller auflauert, einen Mieter namens Gulli, der seine bulimiekranke Hündin auf den Namen Heidi Klum getauft hat und natürlich nicht zu vergessen Paul und Sophie, die mit ihren berühmten grünen Smoothies gute Stimmung unter allen Bewohnern verbreiten. Klar, dass die spießige Louisa hier keine Chance hat, sich an ihre festen Regeln zu halten. Es entstehen herrlich skurrile Streitigkeiten, die sich bis ins Absurde steigern. Auf der Polizeistation, zum Beispiel, glaubt der sonst so penibel vernünftigen Protagonistin niemand, dass sie tatsächlich bewusst Cannabis zu sich genommen und das Auto ihrer Kollegin mit voller Absicht angefahren hat – ihre Eltern glauben nicht einmal dem nächtlichen Anruf des Polizeibeamten, ihre Tochter müsse vom Revier abgeholt werden, weil sie „um diese Zeit längst im Bett [wäre], und wenn nicht, würde sie allerhöchstens irgendeine Bluse bügeln“ – Spießigkeit zahlt sich eben manchmal doch aus. Selbst als es um den geplanten Cannabis-Anbau von Sophie und Paul geht, der sie aus dem finanziellen Ruin retten soll, lässt Louisa von keiner ihrer Regeln ab und gibt mit ihrer Eröffnungsrede gleichzeitig ein grandioses Beispiel für die völlig verkorkste Generation Karriere ab, auf ‚Denglisch‘, versteht sich: „Ich gebe euch vorab mal eine grobe Zusammenfassung über die Punkte, die wir jetzt im Meeting abzuarbeiten haben: Ich würde sagen, wir fangen mit einem Brainstorming zum grundsätzlichen Vorgehen an. Danach sollten wir uns an den Zeitplan machen und vor allen Dingen den Termin für das Go-Live unseres Projektes festsetzen. Sobald wir das haben, trage ich alles in den Koordinatenplan ein, vom Starttermin rückwärts gerechnet ergeben sich dann nämlich die Termine für alles Weitere. Den fertigen Plan schicke ich dann per E-Mail rum. Ich werde auch zwischendrin immer wieder mit Sophie in Kontakt treten, um zu erfahren, wie weit die Pflanzen sind, und euch die Infos weiterleiten, dann sind wir safe, was das angeht.“
Jennifer Bentz trägt ziemlich dick auf, aber genau das ist es, was ihre Bücher so lesenswert macht. Sie übertreibt nicht, sie beobachtet haargenau und gibt ihre Beobachtungen mit einer gehörigen Portion intelligentem Sarkasmus wieder. Seit ihrem ersten Buch taucht immer wieder dieselbe Frage auf, wie sie auch Louisa in „Frühstück mit Sophie“ sich stellt: „Was war nur aus der verwirrten Generation geworden, die nicht wusste, was sie wollte, und von der hinterhältig hohen Zahl an Möglichkeiten in Entscheidungskrisen gestürzt wurde? Ich hatte mich schon lange gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bis die alle einfach mal klarkamen und das taten, was sie wollten.“
Nach der Lektüre dieses Romans wünscht sich vermutlich jeder ein „Frühstück mit Sophie“, das einen wachrüttelt und aus alten negativen Gewohnheiten holt, denn die herzensgute Dame schafft es am Ende, dass selbst Perfektionistin Louisa einsieht, dass zu viele Regeln nichts als Blödsinn sind. Unglaublich, wie die junge Autorin es immer wieder schafft, Figuren zu kreieren, die so abstrus, aber gleichzeitig so sympathisch sind – bitte mehr davon!