Wie man die Kids der 90er nach draußen bekommt
Die Spielzeugindustrie und Eltern aller Nationen wollen es seit Jahren schaffen, dass ihre Kinder sich von den Fernsehgeräten los reißen, die Spielekonsolen mal aus den Augen lassen und sich mehr in der realen Welt bewegen. Im Idealfall draußen mit Freunden. Doch vielen Kindern scheint genau das schwer zu fallen. Sich in der freien Natur zu beschäftigen, Baumhäuser zu bauen und mit dem Fahrrad durchs Dorf zu fahren. Ich als Dorfkind kann da nur traurig den Kopf schütteln. Als Kind der 90er gab es für mich auch andere Beschäftigungen als Fernsehen oder Computer. Und ein Hype ging auch an mir nicht spurlos vorbei: Pokémon. Wie verrückt haben meine Freunde und ich die Karten gesammelt und getauscht. Das ging natürlich auch draußen. Später ging der Hype zunehmend in die virtuelle Welt über: Gameboyspiele, Fernsehserien, Computerspiele… Die Kinder verzogen sich wieder nach drinnen vor die Konsolen.
Die Kinder der 90er sind nun alle erwachsen, arbeiten, studieren und der Ernst des Lebens hat Einzug erhalten… könnte man meinen. Doch seit einigen Wochen ist eine App in aller Munde, die besonders diejenigen, die damit groß geworden sind, begeistert: Pokémon Go! Das Spiel fürs Mobiltelefon ist einfach erklärt: Der Spieler läuft durch die Gegend und fängt dabei Pokémon ein. Die sogenannten Pokéstops bieten neue Pokébälle und allerlei anderes. In „Arenen“ können die Spieler mit ihren Pokémon gegeneinander antreten. Um Teil des Spiels zu werden, muss man sich bewegen. Nicht etwa in den eigenen vier Wänden, sondern draußen. An unterschiedlichen Orten gibt es unterschiedliche Pokémon zu fangen. Im Internet wird sich bereits rege über Orte ausgetauscht, an denen es besonders starke Pokémon zu fangen gibt.
Wer jetzt denkt: Schön und gut! So kommen die Kinder wieder nach draußen, ziehen zusammen los und haben Spaß. Doch wer genauer hinschaut, wird sehen, dass sich besonders junge Erwachsene mit der App beschäftigen. Wir Kinder der 90er also. Scheint, als wären viele von uns doch noch nicht ganz raus aus ihrer Kindheit. Den Blick auf das Handy gerichtet, immer auf der Suche nach neuen Pokémon, laufen sie durch die Stadt, den Park und die Uni. Einige stolpern dabei gerne mal die Treppenstufen herunter, rennen gegen einen Laternenpfahl oder laufen andere Menschen über den Haufen. Und auch im Straßenverkehr kam es schon zu Unfällen, da viele Nutzer die App auch beim Autofahren nicht aus den Augen lassen und auf diese Weise noch schneller die Wege nach den kleinen Wesen absuchen können. Da hört der Spaß dann leider auf!
Denn zugegeben: Es ist interessant zu sehen, wie sich Mittzwanziger Männer in der Stadt treffen, um bunte Pokémon zu fangen, miteinander zu „kämpfen“ und sich auszutauschen. Wir schwelgen ja alle gerne mal in Kindheitserinnerungen und lassen diese aufleben. Nostalgie muss sein.
Doch das Ganze hört dann auf, wenn die Kommunikation auf der Strecke bleibt, wenn man sich mit Freunden verabredet und jeder nur auf sein Handy starrt in der Hoffnung, dass in der Ecke der Kneipe plötzlich ein Pikachu erscheint. Man sollte auch noch Zeit für andere Dinge finden und sich nicht von einer App so sehr in den Bann ziehen lassen, dass man kein Auge mehr für den Straßenverkehr, die Mitmenschen und das reale Leben hat. Denn trotz aller Freude an der Sache – wir Kinder der 90er sind langsam aber sicher im wirklichen Leben angekommen… oder?
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