Öko

Als ich klein war, da war der Begriff öko noch ein Schimpfwort. Jetzt nicht direkt böse gemeint, aber doch mit einem Augenzwinkern schloss öko alle Personen ein, die optisch, sozial und politisch irgendwie alternativ und umweltbewusst eingestellt waren. Achselhaare, Birkenstocklatschen und ein Jutebeutel – das waren so typische Charakteristika dieser Menschen. Man hat sie belächelt und Spinner genannt. Heute, ca. 20 Jahre später, ist das Ökotum auf einmal hip.

Mit einem immer deutlicher spürbaren Klimawandel stieg in den letzten Jahren auch das Bewusstsein für die Belange unserer Umwelt. Der Erhalt der Natur ist seit den 1970er-Jahren, verstärkt jedoch seit den 1990er-Jahren eine wichtige Forderung der Politik. Überall kann das mehr oder weniger erfolgreich beobachtet werden. Besonders im Ruhrgebiet wird viel dafür getan, eine späte Versöhnung mit der Natur zu erwirken. Renaturierungen wie die der Emscher, Umgestaltungen von Industriebrachen in Landschaftsparks und die Etablierung zahlreicher Radwege – die den Umstieg auf das umweltfreundliche Fahrrad erleichtern sollen – sind nur ein paar Beispiele, die diese Bemühungen bezeugen. Auch allgemeingesellschaftlich hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten viel getan. Die Leute scheinen bedachter mit ihrer Umwelt umzugehen, lassen das Auto häufiger mal stehen oder machen Urlaub im Umland, statt einer langen Flugreise.

Am stärksten kann man diesen Trend jedoch beim Essen beobachten. Während vor einem Jahrzehnt selbst der Vegetarismus noch eine Ausnahme war, sind viele inzwischen beim noch ‚radikaleren‘ Veganismus angekommen. Natürlich ist der Wunsch, auf tierische Produkte zu verzichten und so ein Zeichen gegen die Ausbeutung von Lebewesen zu setzen, ehrenhaft. Aber nicht nur hier stellt sich die Frage: Wie ernst kann man das Ganze eigentlich nehmen? Auch in anderen Bereichen offenbart sich immer wieder eine ambivalente und paradoxe Haltung, die weniger auf eine tatsächlich politische und ökologische Einstellung und mehr auf einen gewünschten Status zurückzuführen ist. Wieso gibt man beispielsweise in einem Fair-Trade-Café sechs Euro für eine Tasse Kaffee aus, um sich dann für zu Hause den billigsten im Aldi zu kaufen? Wieso wählt man Bio-Tomaten, um sie dann in einer Plastiktüte aufs Kassierband zu legen? Wie vegan lebt man, wenn man dennoch nicht auf seine Lederschuhe verzichten will?

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsum und der Herstellung der Produkte, die man kauft, ist in jedem Fall wünschenswert. Dabei darf aber auch eine ehrliche Selbstreflektion nicht untergehen. Selbstbetrug bringt niemandem etwas. Eine Märtyrerschaft aber auch nicht. Prinzipien zu haben, aber auch bewusst Ausnahmen zuzulassen und somit einen gesunden Mittelweg für sich zu finden, das wünsche ich euch und mir. Denn es ist vollkommen selbstverständlich, dass man nicht alleine die Welt retten kann. Und genauso verständlich ist es, dass man nicht auf jeglichen Luxus im Leben verzichten, gleichzeitig aber eine umweltbewusste Haltung vertreten kann und will. Aber dann muss man sich auch bewusst machen, dass es nicht nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch gibt und dass das eigene Handeln nicht das Nonplusultra darstellt.

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