Wer war eigentlich …

Sokrates?

Es geht weiter in meiner kleinen philosophischen Reihe. Diesmal stelle ich, kurz und knapp, den berühmten griechischen Denker Sokrates vor. Sokrates, der als Begründer der abendländischen Philosophie gilt, hat weder eigene Theorien entwickelt noch eigene Schriften hinterlassen. Im Gegensatz zu anderen einflussreichen Philosophen, wie z. B. Platon, Aristoteles oder Epikur, hat Sokrates auch keine eigene Philosophenschule gegründet. Er hat aber eine neue Form des Denkens entwickelt: Die sokratische/dialektische Methode. Typisch für die dialektische Methode ist es, seine Gedanken erst während eines Gesprächs zu entwickeln, ohne dabei systematisch vorzugehen. Die Methode entwickelt sich im Dialog, durch Spruch und Widerspruch. Argumente werden stets überprüft, die Diskussion rational, von einem Standpunkt der Unkenntnis aus geführt.

Sokrates nutzte diese Methode, indem er seinen Mitmenschen, vom Standpunkt der Unkenntnis aus, unentwegt Fragen zu einem diskutierten Thema stellte. Seine hartnäckige Fragerei sollte seine Diskussionspartner ermutigen, ihr sicher geglaubtes Wissen zu hinterfragen und letztendlich den Zustand der Aporie zu akzeptieren. Dieser Zustand, der eine Art „Ausweglosigkeit“ beschreibt, ermögliche es erst, kritisch nachzudenken. Sokrates nahm hierbei also stets die Rolle des unablässigen Fragestellers ein und trieb seine Gesprächspartner so lange in die Enge, bis Ihnen bewusst wurde, dass ihr sicher geglaubtes Wissen begrenzt oder gar falsch war.

Sokrates wollte aufzeigen, dass nicht das sicher geglaubte Wissen, sondern die Methode des Fragens und des Prüfens bedeutsam war. Durch sein Eingreifen in die Gespräche, durch das Hinweisen auf Lücken und Widersprüche, entwickle sich das Wissen erst, so Sokrates, denn erst das Erkennen der eigenen Widersprüchlichkeit führe zu neuen Erkenntnissen. Es ging Sokrates in seiner Dialektik also weniger um das Wissen selbst, sondern um die Haltung dazu – Selbsterkenntnis durch Vernunft. Der Mensch soll sich seiner Grenzen bewusst sein, um Wissen erlangen zu können. Er solle stets davon ausgehen, eigentlich nichts zu wissen, um dann erst Wissen über sich und die Welt erlangen zu können. So war es ihm nicht wichtig herauszufinden, was seine Gesprächspartner wussten, sondern vielmehr, wie sie zu ihren Überzeugungen kamen. Wie immer in der Philosophie, ging es Sokrates auch nicht darum, Problemlösungen aufzuzeigen, auch ging es ihm nicht darum – anders als den Sophisten – um die Kunst, Streitgespräche für sich zu entscheiden. Er wollte nicht belehren, sondern vielmehr erziehen, ganz nach dem Motto: Denken, Fragen, Prüfen. Diese Form der Philosophie bezeichnete Sokrates als „angewandte Lebenskunst“.

Die Themenfelder, die den gelernten Steinmetz vordergründig interessierten, waren praktische, ethische Fragen. Fragen nach der Tugend oder Fragen wie „Was soll ich tun?“, „Was macht ein gutes Leben aus?“ sollen die Menschen beantworten, indem sie sich selber auf die Suche nach der Wahrheit machen und sich nicht auf die Antworten des Staats, der Gemeinschaft oder der Religion verlassen. Die Fähigkeit zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden liege bei jedem selber: „Es gibt nur ein Gutes: Das Wissen, und es gibt nur ein Böses: Unwissen“, so Sokrates. Wissen ist demnach untrennbar an Moral gebunden. Sokrates war überzeugt, dass alle nur nach Seelenfrieden und einem tugendhaften Leben strebten, sodass diejenigen, die Übles verrichten, schier aus Unwissenheit handelten. Um ein tugendhaftes Leben führen zu können, müsse man sich genug Wissen über die Themen Liebe, Gerechtigkeit, Treue, Tapferkeit und Mut aneignen und sich hierbei stets selbst erkennen – getreu der Inschrift über dem delphischen Tempel: „Erkenne dich selbst“.

Anders als man ihm unterstellte, wollte Sokrates die Jugend mit seiner Fragerei nicht verführen. Lediglich diejenigen, die sich von Sokrates bloßgestellt fühlten, griffen ihn an und unterstellten ihm, durch seine Fragerei Recht und Unrecht verdrehen zu wollen, ähnlich wie es sich zu der Zeit die Sophisten angeeignet hatten, durch die Kunst der Rede beispielsweise Gerichtsverhandlungen für sich zu gewinnen, indem sie den Menschen die Wörter im Mund verdrehten, einzig und allein, um zu gewinnen. Schließlich folgte die Anklage, weil man Sokrates auch unterstellte, die Götter zu leugnen, da Sokrates stets predigte, sich nicht auf die Antwort der Götter zu verlassen, sondern sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. So nahm er seine Verurteilung zum Tod durch den Schierlingsbecher an und versuchte gar nicht erst um Gnade zu bitten, vielmehr verteidigte er die Ankläger – selbstsicher, provokativ und ironisch – wegen ihrer Unkenntnis und ihres Irrtums. Schließlich erklärte Sokrates, dass nur diejenigen, die sich einbildeten, den Tod zu kennen, ihn auch fürchteten. Ihn aber, der behauptet kein Wissen über den Tod zu haben, könne möglicherweise das größte Glück durch den Tod erwarten. Da ein Leben in Unwissenheit für Sokrates aber unvorstellbar war, starb er sozusagen aus Überzeugung – und hat dadurch Wissen über den Tod erlangt.

Platon, dem Schüler Sokrates‘, verdanken wir unter anderem das Wissen, das wir heute über Sokrates haben. Er schrieb Sokrates‘ Ideen in einer Reihe von „Dialogen“ auf. So überlebten seine Ideen und beeinflussten nicht nur das Leben der berühmten Philosophen Platon und Aristoteles, sondern die abendländische Philosophie. Die von Sokrates eingeführte Gesprächsmethode begründete eine völlig neue philosophische Denkweise: Das induktive Denken (vom Einzelnen zum Allgemeinen gehendes Denken). Es wird von Prämissen, die auf Erfahrungen basieren auf Allgemeingültiges geschlossen. So wurde auch gleichzeitig der Grundstein für empirische Wissenschaften gelegt.

Literatur über Sokrates, Platon und Aristoteles:

Hans Poller: Die Philosophen und ihre Kerngedanken. Olzog Verlag. 2007

Platon: Apologie des Sokrates. AD FONTES KLASSIKERVERLAG. 2016

Grosse Denker: Sokrates, Platon, Aristoteles. Audio Media Verlag. 2008

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