Der 40. CSD in Berlin – Ein Erfahrungsbericht
Am 29. Juli 2018 fand in Berlin der 40. CSD statt, dieses Jahr unter dem Motto „Mein Körper, meine Identität, mein Leben“. Ich war noch nie bei einem Christopher-Street-Day, umso erfreuter war ich über die Anfrage einer guten Freundin, die von ihrem Arbeitgeber auf einen Wagen eingeladen wurde und eine Begleitung mitnehmen durfte. Diese Gelegenheit konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. CSD in Berlin und dann noch von einem Wagen aus. Wir organisierten also alles und trafen uns letzten Freitag in Berlin.
Samstagmorgen, 9:30 Uhr: Wir stehen langsam auf, nach einer kurzen Nacht fällt das nicht so leicht. Es ist einfach zu heiß zum Schlafen. Wir frühstücken und machen uns fertig für den Tag. Dazu kommt ganz viel Glitzer ins Gesicht und auf den Scheitel, Klebetattoos mit der Regenbogenflagge auf beliebige Körperteile und Einhornhaarreifen auf den Kopf. Wir fühlen uns richtig „berlinerisch“ und sind gewappnet für den CSD!
11:45: Pünktlich sind wir am Kurfürstendamm an unserem Wagen angekommen. Die Wagen stehen hier in drei Reihen hintereinander, es werden noch die letzten dekorativen Handgriffe getätigt, einheitliche T-Shirts verteilt und die ersten skurrilen Kostüme bestaunt. Auch an unserem Wagen herrscht noch Organisationschaos, Menschen kommen an und begrüßen sich. Wir fragen uns: Sollen die alle auf diesen Wagen draufpassen?
12:30: Mittlerweile tun mir schon die Ohren weh, sämtliche Musikanlagen werden ausprobiert und warmgespielt. Eigentlich soll jetzt die Parade losgehen, es bewegt sich allerdings noch nicht. Ist aber egal, alle haben gute Laune und feiern sich zu der dröhnenden Musik schon mal warm.
13:45: Nachdem es plötzlich hektisch wurde und alle auf den Wagen geklettert sind, machen wir die ersten 5 Meter Strecke. Es geht los!
14:15 Zu früh gefreut, in der letzten halben Stunde sind wir noch nicht einmal an den Anfang der Strecke angekommen. Auf dem Wagen ist es sehr voll, stickig und laut. Mein Kreislauf macht nicht mehr so mit und wir entscheiden uns abzusteigen und uns etwas zu essen zu kaufen.
14:40: Das war eine gute Entscheidung, nach der kurzen Pause geht es uns wieder besser. Wir nutzen die Zeit, um das langsame Vorankommen der Parade und die Menschenmassen zu beobachten. Wir entscheiden, nicht wieder zurück auf unseren vollen Wagen zu steigen, sondern die Parade von unten aus zu erleben. Dafür gehen wir die Strecke entlang. Wenn es uns an einem Wagen gut gefällt, lauschen wir der Musik, tanzen und lassen uns von der fröhlichen, bunten Menschenmenge mitreißen.
16:45 Die Energie ist mitreißend. Ungefähr zwei Kilometer sind wir die Strecke entlanggegangen bis zum Anfang der Parade. Mehrmals bin ich gegen Pfosten oder Menschen gelaufen, weil es eine absolute Reizüberflutung ist. Neben politischen Aussagen auf den Schildern der Wagen sehen wir tolle bunt und schrill gekleidete Menschen, die alle gute Lauen haben, feiern und genießen. Es ist ganz egal, wer man ist oder woher man kommt, Berlin ist gerade eine einzige Party. Wir machen trotzdem schlapp, die Hitze ist nicht zu unterschätzen. Dazu trinken wir auch einfach zu wenig, es gibt ja so viel Wichtigeres zu tun! Tanzen zum Beispiel und Seifenblasen blasen.
17:00 Wir setzen uns etwas abseits des Trubels und beschließen, uns in Richtung Unterkunft zu begeben. Die Feier am Brandenburger Tor verpassen wir dadurch, aber wir konnten dennoch einen guten Eindruck vom CSD Berlin gewinnen.
19:00 Zurück in der Unterkunft lassen wir Revue passieren. Was haben wir da heute erlebt? Zunächst einmal: Wir fielen als glitzernde Einhörner überhaupt nicht auf sondern sahen im Vergleich eher aus wie Lischen Müller. Wir fanden das toll, die Menschen haben gemacht was sie wollten, gekleidet wie sie wollten und niemand wurde diskriminiert oder ausgeschlossen. Auf einem Wagen las ich den Spruch „Wir sind alle anders. Wir sind alle gleich“. Das fand ich sehr passend, denn so verschieden wir sind, sei es Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Aussehen, so sind wir doch alle eines gemeinsam: Mensch.
Fazit: Der CSD ist spannend, aufregend, bunt, laut und toll. Ich werde definitiv wieder zu einem gehen. Es ist toll zu sehen, dass aus einer Demo, an der noch vor 40 Jahren gerade einmal 400 Menschen teilgenommen haben, ein weltweites Ereignis wird, das ein mächtiges Signal für Freiheit und Menschenrechte ist.
Fotos: privat