Zeitunglesen – ein Erlebnis

Wann hast du das letzte Mal eine Zeitung gelesen? Und damit meine ich nicht die Klatschzeitschrift im Wartezimmer deines Arztes oder die Hochglanzmagazine, die nach irgendwelchen Prominenten benannt, momentan nur so aus dem Boden sprießen.

Auch meine ich damit nicht das Herumscrollen und Überfliegen von Artikeln in den Apps der Zeitungen. Vielmehr geht es darum: Wann hast du das letzte Mal tatsächlich eine Wochen- oder Tageszeitung in den Händen gehalten?

Von allen Seiten hört man, dass wir mit dem digitalen Zeitalter in einer papierlosen Welt angekommen seien. Statt Büchern lesen wir ebooks und statt Zeitungen apps. Papier wird gespart, wo immer es geht. Doch spart man damit nicht am falschen Ende? Selbstverständlich sollte jeder von uns darauf achten, sich nicht sinnlos alle möglichen Dokumente auszudrucken, auch sollte man bereits Gedrucktes als Schmierpapier für Notizen nutzen. Aber auf eine gedruckte Zeitung zu verzichten, nimmt einem das Erlebnis, das Lesen immer sein sollte. Denn egal ob man eine fiktive Geschichte oder einen sachlichen und faktenhaltigen Artikel liest, der Prozess des Lesens nimmt einen mit in eine andere Welt und ist somit ein Erlebnis der besonderen Art.

Liest man Zeitungsartikel im Internet so fehlt die Atmosphäre, die das Papier mit sich bringt. Der Duft der Druckerschwärze und die haptische Erfahrung von Information geht verloren. Zwar mag es in der Hektik des Alltags praktisch sein, mal eben etwas online nachzulesen, doch sollte man sich für die Informationsaufnahme nicht bewusst etwas Zeit nehmen? 

Vor allem aber lässt das Druckwerk Zeitung eine viel unmittelbarere Informationsaufnahme zu als das digitale Lesen. Man entwickelte ein viel näheres Verhältnis zum Gelesenen, behält es besser in Erinnerung und kann gezielter noch einmal Nachlesen. Das Lesen in einer Zeitung lässt auch viel eher die Möglichkeit zu, über Themen zu stolpern, die man sonst aus eigenem Antrieb nicht unbedingt lesen würde. Man durchstöbert die Seiten, bleibt an einer Überschrift, einem einzelnen Wort hängen und liest weiter. Auf einer website oder in einer app stößt man selten zufällig auf ein Thema, nach dem man nicht gezielt gesucht hat. Die Zeitung eröffnet einem einen diversen Raum, den man bewusst betritt, in dem man von Artikel zu Artikel, von Reportage zu Reportage und von Kommentar zu Kommentar schreitet und sich auf diesem Wege seinen eigenen Horizont erschließt.

Auch die Handlichkeit kann kein Argument gegen die gedruckte Zeitung sein. Zeitungen lassen sich knicken, rollen, falten, sogar zerschneiden – so kann man sie auch im Zug oder in der Schlange an der Supermarktkasse bequem lesen.

Nehmt euch doch einmal bewusst Zeit, um wieder einmal eine gedruckte Zeitung zu lesen. Vielleicht findet ihr ja Gefallen daran und greift ab und an zu Papier.

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