Lieblinge 2018

Welcher Film hat 2018 begeistert? Welches Buch sollte unbedingt weiterempfohlen werden? Welche Serie war die spannendste und welches Musikalbum konnte rauf und runter gehört werden? Ich habe versucht eine Auswahl zu treffen und meine persönlichen Lieblinge zusammenzufassen. Ein kleiner Rückblick:

Lieblingsbuch 2018

Auch wenn ich 2018 nicht ganz so oft zum Lesen gekommen bin, ist mir ein Buch, das ich gelesen habe, besonders in Erinnerung geblieben: „Das Feld“ von Robert Seethaler.

Es sind die Stimmen der Toten, die in Seethalers Roman eine Rückschau auf das Leben halten. Im fiktiven Ort Paulstadt fragt sich ein Mann, der sich täglich auf einem Friedhof aufhält, was ihm die dort Begrabenen wohl erzählen würden, wenn er ihre Stimmen wahrnehmen könnte. Eines Abends ertönen die Stimmen der Toten und die Erzählungen der Verstorbenen nehmen ihren Lauf. In den folgenden 29 Kapiteln des Romans erzählt jeweils ein verstorbener Bewohner des Städtchens Paulstadt von seinem Leben in der Gemeinde. Seethaler lässt die Kleinstadt mit all ihren Bewohnern derart lebhaft durch seine Figuren skizzieren, dass sich die Leser als Mitbürger von Paulstadt wiederfinden. Es sind die präzisen Personenbeschreibungen Seethalers – die mich schon bei seinem Werk „Der Trafikant“ faszinierten – die all den Dramen des Lebens im Ort Paulstadt Ausdruck verleihen.

Die Toten erzählen uns in „Das Feld“ post mortem Geschichten über Schicksale, die uns in der Summe ansatzweise eine Antwort auf die wichtigen Fragen des Lebens geben wie: Was ist das Leben? Und wo führt uns unsere Geschichte und unser Leben hin? Ist das Grab, das uns erwartet, ein so schrecklicher Ort, wie sich manch einer vorstellt? Wenn es nach den erzählenden Toten geht, lässt es sich dort verhältnismäßig entspannt „leben“. Die Geschichten der Toten weisen auf die Vielfältigkeit und Vielstimmigkeit unserer Gesellschaft hin – darauf, einen Blick für alle um uns herum zu bekommen, darüber nachzudenken, was einen Menschen zum Menschen macht, was einen Menschen zu dieser oder jener Tat führt, bevor wie über ihn oder sie urteilen. Die Geschichten schärfen den Blick der Leser für all jene, die mit uns in unserer Gemeinde leben und deren Stimmen wir normalerweise nicht hören, weil wir uns so oder so meistens nur mit all denen beschäftigen, die wir an unserem Leben teilhaben lassen wollen und mit denen wir uns in unserer Komfortzone einmauern. Doch es sind eben all die Stimmen eines nahen und ferneren Umfelds, die wir nicht hören und die das Porträt einer Kleinstadt zeichnen.

Die Geschichten erzählen vom Tod, vom Suizid, vom Tod aus Vereinsamung, vom Unfalltod (bedingt durch eine alkoholisierte Autofahrt) und von vielen anderen Todesarten. Die Geschichten erzählen von Weisheit und von der Kraft der Vergebung. Einige Tote erzählen vom Ersten Weltkrieg, ein arabischer Gemüsehändler von rassistischen Parolen, denen er sich an seinem Verkaufsstand immer wieder stellen musste, ein anderer Toter wiederum – der Pfarrer der Gemeinde – erzählt von einem Brand, den er in der Kirche legte. So unterschiedlich wie wir Menschen sind, so unterschiedlich sind die Geschichten, die dem Leser vorgetragen werden. Einige Geschichten sind skurril, manche rührselig und andere lustig.

„Das Feld“ ist nicht einfach zu lesen, auch wenn es erst den Anschein macht. Doch es ist der Schreibstil Seethalers, der diesen Roman so besonders macht. Es sind die Erinnerungen der Toten, die bleiben und die hörenswert und lesenswert sind. Es sind die Beichten, die abgelegt werden, die Enttäuschungen die ausgedrückt werden, die Bilanzen, die gezogen werden – alles aus der Sicht der Verstorbenen. Die Erzählungen zeigen eindrucksvoll, dass wir alle mit unserem Handeln, mit unseren Erfahrungen und unseren Schicksalen die Bevölkerung repräsentieren. Es ist ein Roman über das Leben – in Paulstatd oder auch überall anders.

Lieblingsalbum 2018

Die Wahl zum besten Album des Jahres ist mir schwer gefallen. Es gab viele Alben, die ich rauf und runter gehört habe, wie „My Dear Melancholy“ von The Weeknd oder „High As Hope“ von Florence + The Machine, doch „Dirty Computer“ von Janelle Monaé hat mich am meisten überzeugt.

„Dirty Computer“ ist ein sehr selbstbewusstes Album mit selbstbewussten Texten und Klängen. Janelle Monaé klingt nicht traurig, auch nicht melancholisch – sie klingt stark, sie klingt kraftvoll (wie z. B. in I Like That). Neben den Themen Rassismus und Sexismus ist Feminismus – oder besser gesagt, die Lobpreisung aller Frauen – eines der zentralen Themen des Albums. Monaé bezieht Stellung gegen das Patriarchat und gegen Ungerechtigkeit. Sie singt über systematische Unterdrückung, über Gleichberechtigung, über Macht und Sex, über Liebe und Lebensfreude als Form des Widerstands.

Soul, R’n’B, Pop, Elektropop, Hip-Hop und Funk sind einige der Stilmittel, die das Album vereint – die Synthesizer und der Prince‘sche Funkgroove (wie z. B. in Make Me Feel) geben dem Album das gewisse Etwas. Zugegeben, die Songs klingen oft nach Prince. Man hört Prince in den Texten, man hört ihn in den Beats. Als ihr Mentor hatte Prince natürlich auch einen gewissen Einfluss auf den Sound der Songs. Dieser Einfluss ist zwar erkennbar (wie z. B. in Take A Byte), dennoch finde ich, dass es Jenalle Monaé schafft, diesen typischen Prince-Sound in ihre Richtung zu lenken. Sie dominiert den Sound, nicht umgekehrt.

Funk-Pop-Hits, die immer politisch, manchmal hart, oft sanft und auch irgendwie entspannt sind, machen sowohl Botschaft als auch Klang des Albums zeitlos. Es sind kraftvolle Songs mit kraftvollen Botschaften, aber auch immer erstaunlich positiv und die gegenwärtige Politik betreffend (wie z. B. in Americans). Monaé setzt mal zum Angriff über (wie in Django Jane) und lässt gleich wieder einen progressiven Ansatz (wie z. B. in Pynk) folgen, indem sie über sexuelle Freiheit singt.

Der englische Begriff „Empowering“ beschreibt meines Erachtens die Kernthese des Albums sehr gut – es geht um Stärke, Selbstvertrauen und Macht. Ich freue mich schon auf das nächste Album.

Liebglingsserie 2018

Als wahrer Serienjunkie habe ich mich in diesem Jahr etwas schwer getan, eine wirklich überzeugende Serie auszuwählen. Eine aber hat es definitiv auf meine Allzeit-Bestenliste geschafft, und zwar der Psychothriller „Homecoming“ mit Julia Roberts in der Hauptrolle.

Als Therapeutin betreut Roberts in ihrer Rolle als Heidi Bergman US-Kriegsveteranen mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Der Kriegsveterean, den Bergman betreut, hat eine schwere Last zu tragen: Im Krieg setzte er einen Kameraden in ein Auto, das über eine Mine fuhr. Die Schuldgefühle, die ihn seitdem quälen, sollen ihm im Therapiezentrum mit Hilfe Bergmans genommen werden. Therapeutin und Kriegsveteran bauen eine besondere Beziehung zueinander auf. Das ist zunächst die Ausgangsituation. Die Geschichte wird langsam erzählt und die Zuschauer bekommen schnell ein Bild von dem, wer der Gute und wer der Böse sein könnte. Charaktere, Dialoge, Kameraperspektiven und Musik stehen im Vordergrund – Spannung baut sich langsam auf. Vier Jahre nach ihrer Tätigkeit beim Homecoming-Programm, jobbt Heidi Bergmann als Kellnerin und wird plötzlich von einem Ermittler zu ihrer Zeit in der geheimen Abteilung der Regierung, für die sie tätig war, befragt. Langsam erkennt Bergman, die wahren Motive ihres Arbeitsgebers. Die sind viel finsterer, als sie sich zunächst eingestanden hatte.

Die Serie läuft auf Amazon Prime. Der Trailer zur Serie kann hier aufgerufen werden.

Liebglingsfilm 2018

Der Film Three billboards Outside Ebbing Missouri ist meiner Ansicht nach der beste Film 2018. Herausragende Schauspieler, eindrucksvolle Geschichte, Macher am Werk. Mildred Hayes (Frances McDormand) ist nach dem Mord an ihrer Tochter verzweifelt – auch, weil die örtliche Polizei keine Verdächtigen ausfindig machen konnte. Die Kommunikation mit der Polizei scheitert, die haben, so macht es den Anschein, besseres zu tun. Hayes mietet sich drei große Werbetafel, anhand derer sie direkte Botschaften an den örtlichen Polizeichef sendet, um sich Gehör zu verschaffen. Hayes klagt die Polizei an, kritisiert die Unfähigkeit der Staatsgewalt und beschuldigt die Polizei, lieber Afroamerikaner zu diskriminieren, als sich um wirkliche Verbrechen zu kümmern. Auf den Schildern steht: „Vergewaltigt beim Sterben“, „Noch keine Verhaftungen?“ und „Wie kommt das, Chief Willoughby? Hayes bekommt nicht nur die Aufmerksamkeit des Polizeichefs, sondern auch die, der unterstützenden und bestürzten und wütenden Mitbürger ihrer Kleinstadt. Die Stimmung in Ebbing kocht hoch, Reporter vom nationalen Fernsehen berichten. Kaum verdeckter Rassismus und Korruption kommen zum Vorschein. Die schwarz-humorige Geschichte nimmt ihren Lauf, die Kleinstadt ist aufgewacht – sie gerät in Aufruhr.

Der Konflikt zwischen Hayes und den Ordnungshütern verschärft sich. Die Figur der Mildred Hayes, brillant gespielt, vermittelt den Zuschauern das Bild einer knallharten, zornigen und leicht gestörten Frau, die handelt und nicht nur klagt, die eine gestandene Männergruppe entschlossen vor sich hertreibt. Ausgerechnet der offen rassistische Helfer des Polizeichefs entpuppt sich als derjenige, der Hayes bei der Aufklärung des Mordes an ihrer Tochter helfen könnte. Der Rassist könnte also möglicherweise zum Sympathieträger werden. Diese Art der Ironie zieht sich durch den ganzen Film.

Der Film zeigt anhand vieler Szenen die Dilemma, in denen wir uns oft befinden und die uns Widersprüchliches tun lassen, eindrucksvoll auf. Er zeigt die Tendenz unserer eigenen Gegenwart, schnelle Urteile zu fallen und sich stets überlegener als sein Gegenüber zu wissen, auf. Er zeigt, wie schnell Fronten verhärten können bis die eigene Sicherheit und die eigene Welt aus dem Gleichgewicht gerät.

Der Trailer zum Film kann hier aufgerufen werden.

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