Das Phänomen Bulimielernen
Aktuell ist wieder die Zeit: Hunderttausende Studierende sitzen gerade mit qualmenden Köpfen vor ihren Büchern und versuchen sich den Stoff für die anstehenden Klausuren einzuprägen. Oftmals stehen mehrere Klausuren pro Woche an und das dann über einige Wochen. Freizeit bleibt da natürlich auf dem Abstellgleis und man hat nur wenige Tage um sich für eine Klausur vorzubereiten. Doch kann man so geballt so viel Stoff nachhaltig lernen?
Viele Studierende jammern spätestens seit der Einführung von Bachelor und Master über das hohe Arbeitspensum an den deutschen Unis. Klausuren, die den Inhaltsstoff von zwei Semestern beinhalten sind keine Seltenheit. Dicke Ordner vollgepackt mit Manuskripten müssen in Windeseile durchgearbeitet werden. Das Wissen bleibt dabei nur im Kurzzeitgedächtnis. Der Studierende hat nicht genug Zeit für Wiederholungen, um das Wissen zu verinnerlichen und ins Langzeitgedächtnis zu schieben. Heraus kommt, dass das mühsam erworbene Wissen kurze Zeit nach der Klausur wieder weg ist. Das schafft zwar Platz für neues Wissen, aber effektiv ist das nicht. Schließlich studiert man ja – eigentlich – nicht, um nur die Klausuren zu bestehen, sondern um sich nachhaltig Wissen anzueignen, welches man im weiteren beruflichen Verlauf anwenden kann.
Ich sehe dieses Phänomen aktuell an einer Freundin von mir. Sie studiert Medizin im 6. Semester. Kaum hat sie eine Klausur geschrieben, muss sie wieder an den Schreibtisch. Oft bleiben ihr nur 2-3 Tage um den gesamten Inhalt des Kurses zu lernen. Vorher war aufgrund von Praktika und anderen Aufgaben keine Zeit. Ihre Idee für nachhaltigeres Lernen: Kleine Testate, also Prüfungen, schon innerhalb des Semesters und nicht erst alles auf einen Schlag am Ende. So ist man quasi gezwungen, thematisch die ganze Zeit am Ball zu bleiben und das vermittelte Wissen zu verinnerlichen, um es in einer abschließenden Klausur aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen. Ihr Glück ist, dass die Noten in der Medizin nicht so wichtig sind wie in anderen Studiengängen. Da zählt jedes Klausurergebnis in die Gesamtbewertung rein.
Ich finde es ein wenig traurig, dass es in vielen Studiengängen so wenig darauf ankommt, dass die Studierenden tatsächlich etwas lernen. Unmotivierte Dozenten, langweilig gestaltete Vorlesungen und schulähnliche Stundenpläne nehmen mir und einigen aus meinem Bekanntenkreis oft die Freude am Studieren. Dabei ist es ein großes Privileg, dass wir hier die Möglichkeit auf kostenlose Bildung haben. Die Umsetzung sollte man an einigen Stellen aber vielleicht noch überarbeiten.
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