Herrlich skurril! – Lorrie Moore – „Danke, dass ich kommen durfte“
Die beste Urlaubslektüre ist diese, die auch nach dem Urlaub noch lesenswert bleibt und nicht in den Tiefen des Bücherregals versinkt, sondern immer mal wieder herausgezogen wird. Lorrie Moores im Berlin Verlag erschienener Erzählband „Danke, dass ich kommen durfte“ gehört auf jeden Fall zu diesem Typ beständiger Urlaubslektüre und sollte daher auch nach der Sommer- und Ferienzeit unbedingt gelesen werden!
Beziehungen sind kompliziert, besonders wenn sie zu Ende gehen. In ihren acht Kurzgeschichten entwirft die an der Vanderbilt Universität in Nashville, Tennessee, lehrende Lorrie Moore komplexe Figurenkonstellationen und präsentiert ihren Lesern Charaktere zwischen Scheidungen und Scheidewegen. Ob vom geschiedenen Ira, der seinen Ehering nicht vom angeschwollenen Finger lösen kann und am liebsten seine ganze Hand amputieren würde, und der nun seine neue Bekanntschaft Zora mit dem sechszehnjährigem Sohn teilen muss – „Jetzt ging er mit einem Zehntklässer aus. Selbst in der Zehnten hatte er das nicht getan. Tja, nun würde er ja sehen, was er verpasst hatte.“ -, ob von der achtunddreißigjährigen, ‚auffällig’ tätowierten Ex-Sängerin, die mit einem scheinbar Hundertjährigen aus der Nachbarschaft anbändelt – „anfangs ließ KC sich von ihm küssen, […] aber dann zischte seine raue spitze Zunge rasch hinein und wieder hinaus, und sie zuckte zusammen“ – oder ob davon, wie traurig es sein kann, einen noch nicht vollendeten Liebesbrief in der Manteltasche seines Partners zu finden, auszuharren, bis er ihn jemals vervollständigt hat, und ihn dann nie zu erhalten – Lorrie Moore erzählt hoch amüsante und gleichzeitig furchtbar traurige Geschichten, die das Leben schreibt. Themen wie 9/11 oder Michael Jacksons Tod werden verflochten mit verworrenen Beziehungskonstrukten und skurrilen Begegnungen und nach jeder Geschichte kann man sich aufs Neue fragen: Woher nimmt die Autorin ihre Kreativität?
Eines der schönsten Wortspiele aus dem Erzählband – „erst als E-Mail, dann als E-Müll“ scheint in der deutschen Übersetzung sogar noch besser zu funktionieren und zeigt die Vergänglichkeit, die in jeder Geschichte mitspielt. Der Sarkasmus, der ebenfalls immer anwesend ist, wird deutlich, als die Reaktion auf Michael Jacksons Tod lautet „Na, zumindest ist nicht Whitney Houston gestorben“. Jede Geschichte funktioniert grandios auf ihre eigene Weise, aber am besten macht man sich davon selbst ein Bild greift zu dieser wundervollen Sammlung schwarzen Humors!