Tony Takitani
Film- und Lesetipp
Nachdem ich euch vor zwei Monaten den Film Toni Erdmann vorgestellt habe, geht es jetzt weiter mit dem nächsten: Tony Takitani. Nicht nur die Vornamen der beiden sind dieselben, beide zeigen das nackte Leben und Überleben, ohne Beschönigung – so wie die Realität eben manchmal sein kann. Tony Takitani ist die Verfilmung der gleichnamigen Kurzgeschichte des japanischen Autors Haruki Murakami. Sowohl Geschichte als auch Film bestechen den Betrachter mit einer puristischen Klarheit und bedrückender Simplizität.
Tony wächst ohne Mutter auf, sie stirbt bei seiner Geburt. Sein Vater, ein bekannter Jazz-Posaunist, ist immer unterwegs. Tony ist sich selbst überlassen – er ist es gewohnt allein zu sein. Sein Leben als Illustrator erscheint uns farb- und freudlos, doch für Tony ist es das Leben, das er kennt, das er eben lebt. Bis er mit 37 Jahren eine Frau trifft, die seine Sichtweise verändert. Tony heiratet Eiko und merkt, wie viel lebenswerter ein Leben in Gesellschaft ist. Die Frage, ob man etwas vermissen kann, das man nicht kennt, bleibt im Raum. Denn Tony scheint vor Eiko nicht einmal die Sehnsucht nach einem anderen Menschen gehabt zu haben.
Eiko und Tonys Leben wird nur durch ein einziges Problem getrübt: Eikos Sucht nach Designerkleidung. Unaufhörlich kauft sie ein, um eine Leere in ihr zu füllen, deren Ursprung unklar bleibt. Tony bittet sie nicht mehr so viel zu kaufen. Eiko ist sich ihrer Sucht zwar bewusst und tauscht tatsächlich Kleidung um, doch auf dem Rückweg wird ihre Sehnsucht nach den zurückgegebenen Kleidungsstücken so groß, dass sie in ihrer Aufregung bei einem Autounfall ums Leben kommt.
Tony ist wieder allein – aber diesmal nicht nur allein, sondern einsam.
Eikos Kleider bleiben wie Schatten zurück. Um sich an Eikos Abwesenheit zu gewöhnen, kommt Tony auf die befremdliche Idee eine Assistentin zu engagieren, die Eikos Kleidung als Uniform tragen soll. Doch bevor es tatsächlich dazu kommt, nimmt Tony wieder Abstand von diesem Plan, sagt der ausgewählten Dame ab und verändert auch ihr Leben mit seiner Entscheidung. Wie das Leben eines Menschen durch den Zufall, Willkür oder Unglück beeinflusst und verändert werden kann, ist überhaupt ein wichtiges Motiv in Tony Takitani. Wie das Leben so spielt … kann man eben nicht immer beeinflussen.
Tonys Geschichte kommt einem alltäglich und einzigartig zugleich vor. Regisseur Jun Ichikawa ist es gelungen die bedrückende Stille der verblassten Bilder so eindringlich zu zeigen, dass sie dem Zuschauer noch lange im Gedächtnis bleibt.
Tony Takitani – ein filmerisches Kunstwerk einer sehr leisen, aber doch ziemlich lauten Geschichte um das Menschsein. Einer der seltenen Fälle, in denen beides, Kurzgeschichte und Verfilmung, ohne Einwände zu empfehlen sind.
Hier sind Geschichte und DVD erhältlich.
Foto: Pixabay, CC0 Public Domain