Faserland – Christian Kracht

Buchempfehlung

Der Autor Christian Kracht und seine Werke werden viel diskutiert und sind teils umstritten. Bereits sein Debütroman Faserland (1995) sorgte Mitte der Neunziger für Aufsehen und gilt bis heute als Teil bzw. Initiation der deutschsprachigen Welle der Popliteratur. Aber auch heute noch ist Faserland die Lektüre wert. Als Leser folgen wir dem namenlosen Protagonisten von Sylt über Frankfurt bis in die Schweiz, einmal von Nord nach Süd durch die Republik. Dabei beobachten wir ihn dabei, wie er seine Umwelt und seine Mitmenschen betrachtet.

Der Held des Romans lebt in einer Welt aus Marken, Überfluss und monetärer Sorglosigkeit; Christian Kracht zeigt uns die Realität der „rich kids“ der 1990er Jahre. Mit ihren noblen Sportwagen fahren sie durch die Gegend, taumeln von einem Rausch in den anderen und umgeben sich nur mit Menschen, die es aufgrund ihres Kleidungsstils wert zu sein scheinen. Dass dieser oberflächliche und konsumorientierte Gesellschaftskreis dennoch nicht ohne Sorgen ist, lässt sich schnell erahnen.

Passiv beobachtet der Protagonist diese Welt, dieses Deutschland, das für ihn noch immer unter den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges leidet. Er scheint durch die Gegend zu irren, ohne festes Ziel, ohne jeden Plan. Diesen Taumel beschreibt Kracht so klar und präzise, dass wir selber in den Strudel der Verlorenheit geraten und mit dem Ich-Erzähler auf Deutschlandreise gehen. Mit ihm begegnen wir seinen angeblichen Freunden, werden Teil seiner Kindheitserinnerungen und merken langsam aber sicher, dass die Generation, die uns hier präsentiert wird, eine melancholische ist. Denn das ist es, was Faserland uns vor Augen führt. Die Generation des namenlosen Protagonisten, ist eine verlorene. Zwar hat sie alle finanziellen Vorteile, die Welt steht ihnen offen, doch zugleich zerfasert sie zusehends – ebenso wie das Land ihrer Herkunft.

Faserland ist kein fröhlicher Roman – er macht nachdenklich. Nachdenklich über den Zustand unseres Landes, über den Kapitalismus, die Zukunft, die Menschen. Die Teilnahmslosigkeit des Protagonisten macht wütend, die absurden Situationen in die er gerät, lassen einen den Kopf schütteln.

Obwohl es mit seinen 165 Seiten ein verhältnismäßig schmales Buch ist, steckt doch so viel darin, dass es sich in jedem Fall lohnt, einen Schritt in unser Faser-Deutschland zu wagen und zu erkunden, wie viel davon tatsächlich in unserer heutigen Gesellschaft steckt.

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