Männlich, weiblich – was ist das eigentlich?
Wie Mode- und Promifotographien völlig realitätsferne Vorstellungen über den menschlichen Körper vermitteln, habe ich in meinem letzten Beitrag bereits erörtert. Unzumutbar wird Werbung allerdings, wenn sie uns nicht nur vorschreiben will, wie wir aussehen, sondern auch, wie wir fühlen und denken. Gendermarketing nennt sich diese Strategie der Wirtschaft, die durch klischeebehaftete Produktgestaltung Geschlechter getrennt voneinander zum Kauf anregen möchte.
Dass rosa Kleidchen für Mädchen und blaue Pullover für Jungs vorgesehen sind, ist in vielen Kreisen nicht verhandelbar. Und nur, weil ein Mädchen in der Kita auch Socken mit Autos darauf trägt, ist ein emanzipiertes Heranwachsen noch lange nicht garantiert. Aber wenn Eltern erzählen, dass ihre Kinder gemaßregelt werden, weil sie sich nicht „geschlechterkonform“ verhalten, dann läuft in unserer Gesellschaft etwas schief. Die Philologin und Feministin Judith Butler beschrieb 1990 in Das Unbehagen der Geschlechter, dass die Einordnungen in „männlich“ oder „weiblich“ Konstrukte einer Gesellschaft sind, die sich durch die Wiederholung von Sprechakten manifestieren. Wir alle tragen also dazu bei, Geschlechtervorstellungen zu bilden, fortzuschreiben oder auch zu dekonstruieren. Lassen wir einmal unterschiedliche Modegeschmäcker beiseite, so bleiben im Alltag noch immer unzählige Geschlechterklischees, mit denen wir konfrontiert werden. Es gibt Rasierschaum für Männer und für Frauen, deren einziger Unterschied in der Verpackung besteht – und im Preis, denn rosa kostet mehr. Es gibt Kinderbücher für „typische“ Jungs und „süße, kleine“ Mädchen, deren Geschichten ein ganz bestimmtes Rollenbild vermitteln und vorschreiben. Selbst Lebensmittel werden geschlechterspezifisch verpackt, schmecken aber vollkommen gleich.
Die tumblr-Seite Die alltägliche Rosa-Hellblau-Falle listet die absurdesten Produkte, Werbungen und Erfahrungsberichte auf und zeigt: Auch im 21. Jahrhundert werden Mann und Frau, Mädchen und Junge zu Spezies unterschiedlicher Welten degradiert. Männer müssen stark und cool sein, sie weinen nicht und sprechen wenig. Frauen hingegen tun das umso öfter, während sie pinke, plüschige Kleidung tragen und die Kinder hüten.
Strampler für Säuglinge: Sie mag ihre Oberschenkel nicht und er findet sich super. Schon diese Zuschreibungen im alltäglichen Leben sind nervig, prägend und deshalb gefährlich für die kindliche Entwicklung. Eine bodenlose Unverschämtheit sind hingegen unterschiedliche Berufschancen und Löhne, abweichende Förderungen in Kindergärten und Schulen und Infragestellungen der Intelligenz oder des Könnens aufgrund des Geschlechts. Deshalb werden Frauen Krankenschwestern, während für Männer natürlich nur der Beruf des Arztes in Frage kommt:
„Das können Mädchen nicht“ und „Das ist nichts für Jungs“ hat wohl jeder schon einmal gehört. Fakt ist, wenn kleine Menschen etwas nicht können, dann nur, weil es ihnen nicht beigebracht wurde. Wenn ein Junge für seine pinke Tasche gehänselt wird, dann weil die Eltern anderer Kinder ihnen gesagt haben, dass „richtige“ Jungs kein Pink mögen. Und wenn Erwachsene immer wieder an den Anforderungen an ihr Geschlecht scheitern, dann, weil die Gesellschaft ein völlig falsches Bild von „männlich“ und „weiblich“ vermittelt.
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