Vom Blick hinter die Fassade

Buchempfehlung

Ove ist ein Mann, den man nicht zum Freund haben will. Kleinkariert, griesgrämig und pedantisch verbringt er seine Tage damit, seine Wohnsiedlung zu kontrollieren, Nachbarn auf ihre Vergehen hinzuweisen und ansonsten jegliche menschliche Interaktion zu vermeiden. Es ist eine Geschichte über einen alten, verbitterten Mann. Und es ist eine Geschichte über die Bereitschaft, hinter die Fassade eines Menschen zu blicken und dafür mit dem größten Geschenk belohnt zu werden: Liebe.

Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen und nach dem Tod beider Eltern früh auf sich alleine gestellt, sind Struktur, Zuverlässigkeit und Arbeit die Komponenten, die Oves tristes Leben zusammenhalten. Bis er Sonja kennenlernt, die seinem Dasein endlich einen Sinn gibt. Schnell heiratet er seine große Liebe, bezieht mit ihr ein Haus in einer verkehrsberuhigten schwedischen Wohnsiedlung und plant das gemeinsame Leben. Trotz zahlreicher Schicksalsschläge bleibt Sonja sein Licht in der Dunkelheit – bis sie an Krebs verstirbt und ihm schlagartig der Boden unter den Füßen wegbricht. Ein Selbstmord ist da nur die logische Konsequenz. Und so steigt Ove auf einen Hocker, legt sich die Schlinge um den Hals – und hört, wie der neue Nachbar seinen Briefkasten rammt. Zwar ist Oves Trauer groß, sein Sinn für Rechtmäßigkeit jedoch größer. Nachdem er die Situation geklärt, den Wagen des unfähigen Nachbars fachmännisch eingeparkt und seine Frau Parvaneh ob ihrer Partnerwahl für dumm erklärt hat, will er sich wieder seinen eigentlichen Aufgabe widmen: Der Wiedervereinigung mit seiner Frau. Doch immer neue Konflikte innerhalb der Nachbarschaft und besonders die hochschwangere Parvaneh und ihre beiden Kinder unterbrechen ihn wiederholt in seinem Vorhaben. Weil er kein Unmensch ist, hilft er widerwillig. Und hilft. Und hilft. Und kommt beim vielen Helfen gar nicht mehr zum Sterben.

Ein Mann namens Ove ist ein Buch, das leise beginnt und mit einem großen Knall, Fanfaren und Engelsgesang aufhört. Wer die ersten Zeilen liest und die Handlungen des Unsympathisanten Ove mitverfolgt, wird sich nicht vorstellen können, nur kurze Zeit darauf mit ihm zu trauern, zu lachen und seine Neigung zu Recht und Ordnung zu teilen. Mit reichlich Ironie, Alltagsschmerz und einem Gespür fürs Detail gelingt es Fredrik Backman, seine Leser auf eine Reise mitzunehmen, die wenig verspricht und doch so viel gibt. Menschen nicht vorschnell zu be- und verurteilen, den Weg zu berücksichtigen, der sie zu dem gemacht hat, was sie heute sind, das ist die wesentliche Aussage des Buches. Aber auch, Nähe zuzulassen, Liebe anzunehmen, wenn sie einem angeboten wird und im Unglück auch ein bisschen Glück finden zu dürfen, das alles vermittelt Ein Mann namens Ove auf rührende, eingängliche Weise.

Ein Mann namens Ove machte Fredrik Backman 2012 über Nacht zu einem Bestsellerautor. Der Debütroman des Schwedens verkaufte sich weltweit über 600.000 Mal und wurde in 25 Sprachen übersetzt. 2015 wurde das Buch mit Rolf Lassgård in der Rolle des Ove verfilmt und vielfach ausgezeichnet.

Fredrik Backmann: Ein Mann names Ove, 384 Seiten, FISCHER Krüger 2014, ISBN 978-3-596-19780-4, 9,99 €.

Bild: pixabay / CC0 1.0 / DariuszSankowski