Märchenstunde 2.0

Es ist ja offensichtlich in Mode gekommen, alte Märchen neu aufzulegen. Sei es als Buch, als Film oder als Fernsehserie. Zahlreiche Literaturwettbewerbe suchen nach den besten Märchen von heute, viele davon nach einer Neuinterpretation der altbekannten. Eigentlich kein Wunder, denn schließlich befinden wir uns im Grimm-Jahr.
Vor knapp zwei Jahrhunderten, genauer gesagt im Jahre 1812, erschienen die gesammelten  Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm und nun, 2013, jährt sich der 150. Todestag des Letztgestorbenen der beiden Märchenonkel. Dieses thematische Festessen will sich natürlich keine Literatur- oder Filmindustrie entgehen lassen und so machen sie es uns mal wieder schwer, unter massenhaften Erscheinungen die geeignete, qualitative zu finden. Aber es nützt ja nichts, irgendwo muss man anfangen und es sind ja durchaus spannende Sachen dabei, wie im Artikel Märchenabend für Große bereits erwähnt. Nachdem aber auch schon einige sinnfreie Interpretationen vom Ladentisch über meinen DVD-Spieler in die Tonne gewandert sind, habe ich es mir nicht nehmen lassen, auch in die neue Fernsehserie Grimm, die seit letzten Montag auf dem Sender VOX läuft, reinzuschauen. Die US-amerikanische Mischung aus Fantasy-, Mystik- und Krimi-Genre hat den Mordkommissar Nick Burkhard zur Hauptfigur und der ist einer der letzten Nachfahren der Gebrüder Grimm. Die „Grimms“ werden von den bösen Märchenkreaturen gefürchtet, denn seit die beiden Brüder angefangen haben, die bösen Wesen zu „analysieren“, werden diese von ihren Nachfahren gejagt. Spezifisch liegt Burkhards Begabung darin, die (bisher nur bösen) Märchenwesen in den Menschen zu erkennen. Ein junger Mann zeigt unter dem grimmschen Blick kurzzeitig sein wahres „Jägerbären“-Gesicht und auch in seinem etwas verschrobenen Helfer, Eddie, sieht er einen „Blutbader“ hinter der Menschenmaske. Eddie ist als „Blutbader“ nicht nur eine wolfsähnliche Kreatur sondern auch ein Pilates-treibender Vegetarier, was ihn augenscheinlich von den bösen „Blutbadern“ unterscheidet. Ein Damokles-Schwert lauert für Burkhard zudem in seinem Vorgesetzten, der ebenfalls ein Märchenwesen ist. Über seine Herkunft und seine Gabe wird Burkhard von seiner Tante Marie aufgeklärt, die aufgrund ihrer schweren Krankheit und Todesnähe ihre Berufung und ihren Wohnwagen (Grimm-Zentrale mit allen nötigen Hilfsmitteln) an Burkhard weitergibt.
Recht schnell offenbart die Serie, dass sie das Böse im Menschen durch die Märchenwesen-Metaphorik ausdrückt. Das Rotkäppchen (kleines Mädchen mit roter Jacke) wird vermisst und von Burkhard, dem Jäger, aus dem Keller eines Waldhauses gerettet. Der Entführer, ein wenig harmlos erscheinender Postbote, verwandelt sich dabei in den bösen Wolf.
Insgesamt ist sie eine gute und interessante Idee, die ganze Geschichte um die grimmschen Jäger, aber in der Umsetzung leider etwas zu weichgespült – die Folge sind kitschige Tendenzen, die den ausgereizten Kontrast von Gut und Böse fast schon unerträglich machen. Und was zur Hölle sollen eigentlich Bezeichnungen wie „Jägerbären“ und „Blutbader“? Solche märchenfremden Bezeichnungen stoßen den Märchenkenner doch eher ab, als dass sie ihn fesseln.
Bleibt nur zu hoffen, dass die literarische Welt einiges mehr zu bieten hat, was die neuen Märchenversionen angeht. Aber eigentlich hege ich diesbezüglich gar keinen Zweifel.

Märchenschöne Stunden wünscht euch
Lisa