“Nach der Ebbe kommt die Flut” – Interview mit Musiker Max Embers

Deutschsprachige Musik ist im Radio im Kommen, auch wenn der Großteil der Titel immer noch auf Englisch ist. Dennoch sind Künstler wie Johannes Oerding, Bosse und Tim Benzko regelmäßige Hit-Garanten. Auch Bands wie die Toten Hosen, die Ärzte und Silbermond sind aus den Radios nicht wegzudenken – teilweise zeigen sie seit Jahrzehnten, dass Deutsch nicht nur traditionell die Sprache der Dichter und Denker, sondern auch die der Musiker ist. Silbermond-Frontfrau Stefanie Kloß sagte in einem Interview in der Unicum: „Es gibt ja nichts Intuitiveres, als in der Sprache zu singen, in der du auch sprichst und aufgewachsen bist. Deswegen finde ich es immer noch positiv, wenn Leute auf Deutsch texten und sich der Ehrlichkeit der deutschen Sprache stellen. Denn jeder kann sofort einschätzen, worüber man singt und ob er das gut findet.“ Dennoch geht nicht jeder diesen Weg. Max Embers (27) aus Herne lebt seit 7 Jahren in den USA und singt auf Englisch. Ein Austauschjahr hatte den Ausschlag gegeben, seine musikalische Karriere nicht in Deutschland, sondern in Los Angeles anzugehen.

Was reizt dich daran, genau in den USA Musik zu machen?

Ich bin mit englischsprachiger Musik aufgewachsen, von Stevie Wonder und Michael Jackson bis hin zu Justin Timberlake – und darüber habe ich eine Liebe zur englischsprachigen Musik entwickelt. Während meines Austauschjahres als 16-Jähriger bin ich der Kultur hier viel nähergekommen. Zurück in Deutschland hatte mir dann eine Freundin das Berklee College of Music in Boston empfohlen – das ist wirklich wie im Musical „Fame“, in dem talentierte Musiker, Komponisten lernen und arbeiten. Dort habe ich mich beworben und bin genommen worden – und so habe ich mir hier ein Standbein aufgebaut, habe ein großes Netzwerk an Musikern, mit denen ich befreundet bin. Weltweit gesehen ist die amerikanische Musikszene ja auch immer noch eine der einflussreichsten. Die Textzeile aus dem Lied „New York, New York“ ist immer noch aktuell: „If you can make it there, you can make it anywhere.“

Du bist durchaus erfolgreich, hast schon für Kelly Clarkson und Noah Cyrus geschrieben, das ist nicht selbstverständlich.

Ich habe durch mein Netzwerk in der Musikszene viele Kontakte zu Künstlerinnen und Künstlern. Eine meiner besten Freundinnen arbeitet zum Beispiel für Atlantic, und dort steht Kelly Clarkson unter Vertrag, so kam es zu dem Kontakt. Kelly Clarkson fand das, was ich gemacht hab, richtig gut, und so ist dann zu dem gemeinsamen Projekt gekommen. Man schickt seine Lieder an all seine Kontakte, und hier und da bleibt dann was hängen.

Was war die spannendste Zusammenarbeit oder der interessanteste Künstler, mit dem du mal zu tun hattest?

Ich war vor 2 Jahren in einer Fernsehshow, „Songland“, in der es darum geht, ein eigenes Lied vorzustellen und an eine andere Künstlerin oder einen anderen Künstler zu “pitchen”, also vorzustellen. Ich kam ins Finale, und konnte so mit Ryan Tedder von OneRepublic arbeiten, der einer der größten Songwriter aktuell ist, und zum Beispiel für Beyonce und die Jonas Brothers geschrieben hat. Wir haben an meinem Lied gearbeitet und das war eine wahnsinnig spannende Sache, mit so einem faszinierenden Künstler zu arbeiten

Die Musik, mit der du groß geworden bist, war auf englisch, du hast also auch direkt auf englisch geschrieben – wieso? Das ist ja nicht deine Muttersprache.

Man würde vielleicht denken, es ist intuitiver, auf deutsch zu schreiben, aber ich glaube, das Medium Musik hab ich fast immer auf Englisch erlebt, es fühlte sich also natürlicher an, auf Englisch zu schreiben. Auf linguistischer Ebene ist es so, dass die englische Sprache in Liedern einfacher zu händeln ist … die Weise, auf die man reimen kann: Die meisten Wörter sind kürzer als im Deutschen, klanglich ist sie sehr weich und rund, während das Deutsche mehr Ecken und Kanten hat und harte Konsonanten. Ich hab mittlerweile auch Erfahrung damit, auf Deutsch zu schreiben, ich hab mich damit angefreundet – aber auf englisch fällt es mir leichter. Inhaltlich entstehen aber andere Sachen – im Deutschen gibt es andere Möglichkeiten, etwas auszudrücken, die es auf Englisch nicht gibt, und umgekehrt ist es genauso. Für meine eigene Musik fühle ich mich im Englischen am besten aufgehoben, aber ich genieße es auch, auf Deutsch zu schreiben.

Du hast ja schon auf Deutsch geschrieben und gesungen – „Flut“. Wie ist es dazu gekommen?

Ich wurde von einer Bekannten angeschrieben, die ich noch aus Berklee-Zeiten kenne. Sie hat an einem Projekt gearbeitet, das „Songs for World Peace“ hieß. Das sollte zum Weltfriedenstag 2020 rauskommen, in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen. Der Auftrag war: Schreib ein Lied in deiner Muttersprache zum Thema Weltfrieden. Ich hab „Flut“ geschrieben. Ich fand es erst mal sehr einschüchtern, etwas zu so einem tiefgreifenden und schweren Thema zu schreiben, und das auch noch auf Deutsch. Aber irgendwie ist es dann doch recht leicht aus mir „herausgefallen“.

Hat dich das Lied ein bißchen „angefixt“, es häufiger mal auf Deutsch zu versuchen?

Ich hab danach einen Solo-Urlaub gemacht, in den Bergen, in einem Camper in einem kleinen Dorf namens Idyllwild. Das war ein sogenanntes „writing retreat“, ein Rückzug um einfach mal für mich und meine Musik Zeit zu haben. Dort hab ich geschrieben, was mir in den Sinn kam, und das war auf Englisch, da hab ich meinen Kompass wieder ausgerichtet. Wobei: Ich arbeite im Moment tatsächlich an einem Lied für meine Nichte, die wird jetzt 1 Jahr alt, und das wird auf jeden Fall auf Deutsch sein, weil sie eben Deutsche ist; das Lied soll sie begleiten auf ihrem Weg. Ich habe auch eine gute amerikanische Freundin, die für ihr eigenes Projekt gerne auf Deutsch schreiben möchte wegen ihrer Affinität zu Deutschland und die deutsche Sprache. Mit ihr arbeite ich auch an ein paar Liedern. Und für die Zukunft kann ich nichts ausschließen. Wenn sich Projekte auftun, die sich auf Deutsch anbieten, dann bin ich dabei, aber mein eigenes Projekt wird in der nahen Zukunft erst mal auf Englisch sein.

Das Gespräch führte Doro Wilke.

Instagram: maxembersmusic
Youtube: MaxEmbersMusic
Flut Acoustic-Version: https://youtu.be/3m1NqIt8T78

TEXT „FLUT“

Horizont geht auf
Sonne zieht ihren Lauf
Und der Augenblick wiegt schwer
Totstellen geht nicht mehr
Geschichte bleibt Vergangenheit
Haben wir dabei irgendwas gelernt?

Licht ist bereit
Ergreift nie Partei
Zeigt uns auch was hässlich ist
Weil es genau so menschlich ist
Wie grenzenloses Liebestoben
Ungeschont und ungebogen
Alles oder nichts

Wir gehen
Weiter, weiter, einfach immer weiter
Denk nicht an die Geister die nicht mitkommen
Lass sie bleiben
Weiter, keiner weiß mehr weiter
Spannung in der Luft
Weil jetzt eine Welle kommen muss

Nach der Ebbe kommt die Flut
Immer schneller auf uns zu
Müssen uns mal fragen
Haben wir uns vielleicht verraten?
Nicht nur böse, nicht nur gut
Macht mir Angst & macht mir Mut
Schreit in allen Farben
“Ey wir können nicht mehr warten”
Bis sich irgendwann was tut
Nichts kann ewig auf sich ruhen
Nach der Ebbe kommt die

Schöne neue Welt
Die nicht mehr hält
Siegessicher, selbstbestimmt
In unserem Plastiklabyrinth
Wetterkarten dunkelrot
Wasser stehen bald himmelhoch
Einfacher wär’s blind

Kommen wir zusammen
Gehen Hand in Hand
Oder tausendfach geteilt
Bis die Sehnsucht uns vereint
Am Ende träumen wir alle gleich
Fantasie reist federleicht
Findet das was jeder sucht

Nach der Ebbe kommt die Flut
Immer schneller auf uns zu
Müssen uns mal fragen
Haben wir uns vielleicht verraten?
Nicht nur böse, nicht nur gut
Macht mir Angst & macht mir Mut
Schreit in allen Farben
“Ey wir können nicht mehr warten”
Bis sich irgendwann was tut
Nichts kann ewig auf sich ruhen
Nach der Ebbe kommt die Flut

Weiter, weiter
Geht so nicht mehr weiter
Wohin gehen die Geister, die nicht mitkommen?
Weiter
Spannung in der Luft
Weil jetzt eine Welle kommen muss

Nach der Ebbe kommt die Flut
Immer schneller auf uns zu
Müssen uns mal fragen
Haben wir uns vielleicht verraten?
Nicht nur böse, nicht nur gut
Macht mir Angst & macht mir Mut
Schreit in allen Farben
“Ey wir können nicht mehr warten”
Bis sich irgendwann was tut
Nichts kann ewig auf sich ruhen
Nach der Ebbe kommt die Flut