Schlamassel, Gemauschel, Mischpoke – Antisemitismus oder jüdisches Erbe?

„Jetzt aber mal Tacheles!“ – Es sind Ausdrücke wie diese, die ursprünglich aus dem Jiddischen stammen. Sie sind Teil unserer Alltagssprache geworden und werden oft in Form von Redewendungen verwendet. Das Wissen um ihren Ursprung ist jedoch nicht so verbreitet, wie man meinen könnte. Viele Begriffe wurden eingedeutscht und sind deshalb in ihrer Schreibweise nicht mehr klar als jiddisch erkennbar. Welche jiddischen Lehnwörter kennt das Deutsche und was bedeuten sie? Spielt die Wortwahl eine Rolle in unserem Umgang mit dem Judentum? Und wie steht es um den Antisemitismus? Kann er Spuren in der Sprache hinterlassen und diese weiter transportieren?

Ronen Steinke setzt sich in seinem Buch Antisemitismus in der Sprache (2020) mit diesen Fragen auseinander und trifft dabei zunächst eine Unterscheidung: Es gibt gutes und ungutes Jiddisch in der deutschen Sprache.

Gutes Jiddisch umfasst Ausdrücke, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung entlehnt wurden und diese Bedeutung beibehalten haben. Ein solches Beispiel wäre Tacheles. Wer Tacheles fordert, wünscht sich Klartext. Der Begriff kommt vom hebräischen tachlit und hat sowohl im Jiddischen als auch in der eingedeutschten Verwendung dieselbe Bedeutung. Ähnlich verhält es sich mit dem Schlamassel: Die Kombination des deutschen schlimm mit dem hebräischen masal (‚Glück‘) hat in diesen Fall das jiddische Wort hervorgebracht. Ein Ausdruck, den man durchaus als bereichernd wahrnimmt, denn in manchen Situationen scheint es einfach treffender, „Was für ein Schlamassel!“ zu seufzen als von einem Unglück oder einer schwierigen Lage zu sprechen. Auch koscher oder meschugge stammen aus dem Jiddischen und haben die deutsche Sprache bereichert, indem die Bedeutung aus dem Jiddischen ins Deutsche übertragen wurde.

Ungutes Jiddisch hingegen können Ausdrücke sein, die ihre ursprüngliche Bedeutung während der Entlehnung verloren haben und denen stattdessen eine negative Bedeutung auferlegt wurde. Das stereotypisierte Feindbild des Juden steckt in solchen Begriffen drin. Die Mischpoke scheint hier das offensichtlichste Beispiel. Im Deutschen ist hiermit, sofern der Begriff ernst und nicht humoristisch verwendet wird, zumeist eine Gruppe von unangenehmen Leuten gemeint, die womöglich noch etwas im Schilde führt. „Mischpoke hat (…) etwas Dubioses, Sinistres“, schreibt Steinke. Die ursprüngliche Bedeutung im Jiddischen ist jedoch vollkommen wertneutral und in keinster Weise abwertend gemeint: Eine mischpóche ist lediglich eine Familie, abgeleitet von dem hebräischen Wort mishpacha. Hier wird deutlich, dass Mischpoke sich damals als abwertender Begriff für die jüdische Familie etabliert hat. Die Abwertung ist nicht von vornherein in diesem Wort enthalten, sie wurde dort hineingelegt, weil ausschließlich Jüdinnen und Juden damit gemeint waren, und sie hat sich bis heute im Sprachgebrauch erhalten – einzig mit dem Unterschied, dass die Abwertung nicht mehr rein jüdisch konnotiert ist, sondern sich auf jede mögliche gesellschaftliche Gruppe beziehen kann, die man eben mit diesem Begriff bezeichnet.

Ein weiteres Beispiel für ungutes Jiddisch ist die Mauschelei bzw. das dazugehörige Verb mauscheln. Im heutigen Sprachgebrauch sind damit betrügerische Manipulationen gemeint, geheime Absprachen oder Geschäfte, die im Hintergrund passieren – eine Bedeutung, die dem antisemitischen Stereotyp des handelnden Juden entspricht. Auch hier hat sich allerdings die Bedeutung von der rein jüdischen Konnotation entfernt: Wer jemandem Mauschelei vorwirft, meint damit nicht zwangsweise einen Juden. In seinem Ursprung jedoch ist der Begriff klar antisemitisch. Mauscheln bedeutete zunächst „sprechen wie ein Jude, jiddisch sprechen“, wurde aber ab dem 17. Jahrhundert in Form des Substantivs Mauschel als Spottname für den Juden verwendet. Abgeleitet wurde der Ausdruck vermutlich von Mausche, der westjiddischen Aussprache des Vornamens Moses.

Hiermit seien nur einige wenige Beispiele genannt, sowohl für gutes wie auch für ungutes Jiddisch. Fest steht: Das Jiddische hat unsere Sprache zwar um schöne Ausdrücke wie Schlamassel oder meschugge bereichert, die Kehrseite existiert aber eben auch. Es gibt viele Begriffe, die eine antisemitische Vergangenheit in sich tragen.

Nun reicht die antisemitische Vergangenheit dieser negativ konnotierten Ausdrücke vielleicht als Begründung nicht aus, um sie aus dem Sprachgebrauch zu streichen. Im Gegenzug könnte man schließlich auch fragen: Ist es denn nicht positiv, dass der Begriff sich von seiner antisemitischen Bedeutung gelöst hat? Gilt es nicht anzuerkennen, dass die deutsche Sprache mit Mischpoke mittlerweile jede gesellschaftliche Gruppe bezeichnen kann, ganz unabhängig von Herkunft und Religion? Verstärken wir nicht die antisemitische Bedeutung wieder, wenn wir solche Begriffe meiden, obwohl sie gar nicht mehr antisemitisch verwendet werden? Sprache besteht nun einmal nicht nur aus Positiv-Ausdrücke. Auch Negativ-Ausdrücke haben ihre Daseinsberechtigung, solange sie nicht grenzüberschreitend sind. Die Frage ist nur stets, wie viel gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in solchen Negativ-Ausdrücken mitschwingt – auch wenn dies womöglich unbewusst geschieht.

Wie in so vielen Sprachdebatten gibt es keine klare Antwort. Grundsätzlich sollte aber selbstverständlich sein, dass durch abwertende Sprache Feindbilder verstärkt werden und dass Beleidigungen für die Betroffenen verletzend sind. Vor allem das Reproduzieren von Stereotypen hinterlässt ein Gefühl der Hilflosigkeit. Gerade weil antisemitische Vorurteile und Klischees vollkommen unberechtigt und zugleich pauschalisierend sind, sollten sie auf keinen Fall reproduziert werden. Andererseits können Begriffe aber eben auch einen Umdeutungsprozess durchlaufen: Bei dem Verb mauscheln denken viele Menschen wohl heutzutage nicht mehr an Jüdinnen und Juden.

Die Frage lautet deshalb: Wie viel Antisemitismus schwingt heute noch mit? Hat sich der Begriff tatsächlich komplett von seiner antisemitischen Konnotation gelöst oder steckt immer noch antisemitische Abwertung darin? Sicherlich ist hier die Wahrnehmung sehr subjektiv und möglicherweise generationenabhängig, weshalb es schwierig ist, eine allgemeingültige Bewertung vorzunehmen. Wichtig ist jedoch, nicht aus der Außenperspektive zu urteilen, sondern Jüdinnen und Juden mit einzubeziehen – mehr noch sollte ihre Wahrnehmung als maßgeblich gelten. Das bedeutet, bei der Beantwortung der Frage, ob Begriffe wie mauscheln oder Mischpoke antisemitische Stereotype verstärken und als abwertend empfunden werden, sollte die jüdische Perspektive diejenige sein, die man zur Beurteilung heranzieht. Für das persönliche Sprechen können natürlich keine Vorschriften gemacht werden – als Grundsatz sollte aber die Einbeziehung der Betroffenenperspektive gelten, sowie respektvolle und sensible Wortwahl.


Foto: Pixelio / Esther Stosch
Literatur: Steinke, Ronen (2020): Antisemitismus in der Sprache. Warum es auf die Wortwahl ankommt, Dudenverlag: Berlin.