Hasswörter: Sprache und Empfindung

Wenn mir jemand erzählt, dass er beim Schauen eines Films „Pipi in den Augen“ hatte, oder unter Instagram-Beiträgen „Heute mal die Seele baumeln lassen“ steht, dann stellen sich bei mir die Nackenhaare auf. Beides sind Formulierungen, die ich nicht ausstehen kann und beim Lesen oder Hören richtig unangenehm finde. Wieso das so ist, kann ich nicht ganz genau sagen – nur dass es irgendwie damit zusammenhängt, was für Assoziationen bestimmte Ausdrücke in mir auslösen.

Jeder hat solche Hasswörter oder Hassausdrücke. Was man beim beim Hören bestimmter sprachlicher Ausdrücke empfindet, kann jedoch von Person zu Person sehr verschieden sein. Ich habe mich in meinem Umfeld nach Hasswörtern umgehört und ganz unterschiedliche Dinge aufgezählt bekommen. Manche finden etwa den Begriff „Krane(n)berger“ für Leitungswasser ganz schlimm (mich eingeschlossen), während selbiger bei anderen Personen zum Standardvokabular gehört. Ein Ausdruck der ähnlichen Sorte ist auch „Urlaub auf Balkonien“. Häufig werden auch Verniedlichungen als unangenehm empfunden, wie etwa „Schoki“ oder „Käffchen“.

Eine weitere Gruppe unter den Hasswörtern machen vermutlich auch Anglizismen aus – tendenziell wohl mit Unterschieden zwischen den Generationen. Auch wenn ich mich grundsätzlich nicht an Anglizismen störe, gibt es doch vereinzelte Begriffe, die ich gar nicht mag. Dazu gehören beispielsweise „nice“ oder „vibe“. Lange konnte ich auch „triggern“ nicht leiden, was sich aber mittlerweile geändert hat.

Oft sind es außerdem Begriffe, die mit Essen oder Trinken zu tun haben und diesbezüglich unangenehme Assoziationen hervorrufen. Wörter wie „schmatzen“, „Schleim“ oder „sabbern“ klingen einfach unschön, weil sie mit bildlichen Vorstellungen einhergehen. Ich habe beispielsweise kein Problem mit „Porridge“ oder „Haferbrei“ – wenn mir aber jemand „Haferschleim“ vorsetzt, vergeht mir sofort der Appetit, obwohl das Essen dasselbe bleibt.

Zumindest das zuletzt genannte Phänomen lässt sich sprachwissenschaftlich erklären: Die Sprachwissenschaftlerin Regine Eckhardt spricht hier von der „multiplen Alarmfunktion“ von Sprache. In Experimenten habe man nachweisen können, dass Sprache im Gehirn nicht nur Bilder, sondern auch Gefühle produziert. Getestet wurde dies anhand des Begriffs „Blut“, welcher bei den Probanden beim Lesen nicht nur das dazugehörige Bild entstehen ließ, sondern auch ein Gefühl von Angst auslöste. (Südkurier) Sprache lässt sich also nicht getrennt von Empfindungen wahrnehmen. Wenn wir bestimmte Ausdrücke hören, entstehen sowohl Bild als auch Empfindung in unserem Kopf und lassen uns as Gehörte als unangenehm empfinden.

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